Don Camillo, der radelnde Priester
Don Camillo und Peppone war in den 1950-er und 1960-er Jahren eine erfolgreiche Buchreihe von Giovanni Guareschi (1908-1968). Fünf Filme wurden gemacht mit Fernandel als Don Camillo und Gino Cervi als Peppone, dem kommunistischen Bürgermeister. Der Priester des Ortes in der Bassa fährt oft mit dem Fahrrad herum.
Während der Dreharbeiten zum sechsten Film starb Fernandel, der ein Franzose aus Marseille war, am Lungenkrebs. Gleich danach beendete auch Cervi ― als Peppone Don Camillos Lieblingsfeind und gleichzeitig seine geliebte andere Hälfte ― seine Karriere. Peppone ist auf dem Einband des Buches, das ich heranzog, in Rot geschrieben, Don Camillo schwarz. Klar, Peppone ist Kommunist, der Priester trägt ja Schwarz. Wir denken an den berühmten Roman Le Rouge et le Noir von Stendal, das Rot (rouge) steht dabei allerdings für die Armee (der rote Rock), das Schwarz (noir) für die Kirche.
In einem rororo-Büchlein, 1970 erschienen, sind ein paar Guareschi-Geschichten über die beiden Kontrahenten versammelt (eine wurde auf manipogo herausgegriffen), und solche mit einem Fahrrad habe ich mir eingemerkt. In Die Verfolgung hat jemand Knallerbsen an den Kirchenglocken befestigt, der Krach ist schrecklich. Don Camillo ist wütend und will sich rächen. Da wendet sich die Frau von Peppone an ihn: Ihr Mann wolle sich in Castellino an einem rächen, der auf ihn geschossen hatte. Er habe die Maschinenpistole mitgenommen. Nun drängt die Zeit!
Drei Minuten später saß Don Camillo mit der hochgebundenen Soutane auf dem Rennrad, Marke »Wolsit«, das dem Sohn des Sakristans gehörte, und fuhr mit allen Kräften nach Castellino. Es war herrlicher Mondschein, und so erblickte Don Camillo vier Kilometer vor Castellino einen Mann, der auf der Brüstung einer kleinen Brücke über dem Fossone saß.
Peppone! Er hat sich’s anders überlegt. Zum Glück.
»Hm, das schaut gut aus, ein Priester auf dem Rad!« lachte ihn Peppone aus. Don Camillo ließ sich neben ihm nieder. »Mein Sohn, man muss darauf gefasst sein, allerlei in dieser Welt zu erleben.«
Don Camillo spricht ja immer mit dem Heiland am Kreuz in seiner Kirche. Im Dialog mit diesem erfahren wir (indirekt), was dann geschehen ist, ein schöner Kunstgriff des Autors. Er hätte Peppone nicht unbedingt an den Beinen packen und ins Wasser werfen müssen, gibt Jesus zu bedenken. Don Camillo:
»Wirklich, ich kann mich nicht gut erinnern. Tatsache ist, dass es ihm nicht gefiel, einen Priester auf dem Rennrad zu sehen, und so habe ich ihm geholfen, nichts mehr zu sehen.« … »Als ich ihn in den Graben fallen sah, dachte ich mir, dass er so nass nicht gut radfahren könne, und so bin ich auf den Gedanken gekommen, mit den beiden Fahrrädern zurückzukehren.«
Später holt Peppone sein Fahrrad. Aber er vermisst seine Maschinenpistole. Don Camillo weiß nicht einmal, was das ist, eine Maschinenpistole … Peppone grummelt, er habe einen Fehler gemacht. Nicht Knallerbsen, sondern eine halbe Tonne Dynamik hätte er an die Glockenstränge binden sollen. Der Priester antwortet cool: Irren ist menschlich.
Als ich Wolsit las, die Rennrad-Marke, machte es in mir klick. Das Buch erschien erstmals im März 1957 (ich war einen Monat alt), und im 1961 publizierten Der Garten der Finzi-Contini von Giorgio Bassano lenkt der Erzähler auch ein(e) Wolsit und will sie verstecken, als er in der Eingangsszene Micól trifft. Darüber habe ich bei der Kritischen Ausgabe einen Artikel geschrieben, und eine italienische Seite widmet sich dem Thema auch. Wikipedia sagt uns, dass die Gesellschaft Wolseley Italiana 1907 in Legnano gegründet wurde und bereits 1909 wieder einging. Die Räder hießen Wolsit.