Manicomio, Rom (3)
Auf der Suche nach meinem Museums-Artikel (es gibt eine Kopie davon) fiel mir ein Exzerpt eines Buchs von Michel Foucault in die Hände: Wahnsinn und Gesellschaft, verfasst 1961/1973. Darin stehen Erkenntnisse. Was ich ausgewählt habe:
… der Griff, in den die Vernunft die Nicht-Vernunft nimmt, um ihr ihre Wahrheit des Wahnsinns, des Gebrechens oder der Krankheit zu entreißen … (7)
Die Sprache der Psychiatrie, die ein Monolog der Vernunft über den Wahnsinn ist … (8)
Arbeit und Müßiggang haben in der Welt der französischen Klassik eine Trennungslinie gezogen, die den großen Ausschluß der Lepra ersetzt … Es ist nicht ohne Bedeutung, dass die Wahnsinnigen in die Verfolgung des Müßiggangs mit einbezogen werden. An diesen Stätten verdammter und verurteilter Nichtstuerei, in diesem von einer Gesellschaft, die in dem Gesetz der Arbeit deine ethische Transzendenz entzifferte, erfundenen Raum erschien bald der Wahnsinn und stieg herauf, bis er sie annektierte. (91)
So sieht man unter den Institutionen der absoluten Monarchie … die große bürgerliche Idee, die sich bald die Republik zu eigen macht, dass die Tugend ebenfalls eine Angelegenheit des Staates sei, dass man Dekrete erlassen könne, um sie herrschen zu lassen, dass man eine Autorität einsetzen könne, um ihr Respekt zu verschaffen. In gewissem Sinne schließen die Mauern der Internierungshäuser das Negativ dieser moralischen Gesellschaft ein, von der das bürgerliche Bewusstsein im siebzehnten Jahrhundert zu träumen anfängt: eine moralische Gemeinschaft, die denen vorbehalten bleibt, die sich von Anbeginn an ihr unterwerfen, wo das Recht nur durch die Kraft unerbittlicher Strenge herrscht – eine Art Souveränität des Guten, in der nur die Drohung triumphiert und wo die Tugend keine andere Belohnung hat, als der Bestrafung entgangen zu sein. Im Schatten der bürgerlichen Gemeinschaft entsteht diese eigenartige Republik des Guten, die man gewaltsam all denen auferlegt, die man verdächtigt, dem Bösen anzugehören. (94)
So wird der Wahnsinn der imaginären Freiheit entrissen, die ihn noch am Himmel der Renaissance hat blühen lassen. Noch vor kurzer Zeit erging er sich in hellem Tageslicht: im König Lear, in Don Quichotte. Aber in weniger als einem halben Jahrhundert fand er sich eingeschlossen und in der Festung der Internierung, mit der Vernunft, den Regeln der Moral und ihren monotonen Nächten verbunden. (98)
Das erste Gefängnis wurde 1620 in Hamburg eröffnet. Die ersten Hospitäler für Geisteskranke gab es 1409 in Valencia, 1425 in Saragossa, 1436 in Toledo. Bis zum Anfang des 19. Jahrhundertes blieben Irre Monstren – etymologisch heißt das Lebewesen oder Sachen, die des Zeigens wert sind. Der Wahnsinn ist etwas geworden, was man anschauen kann, nicht mehr ein Monstrum im Innern des Menschen, sondern ein Lebewesen mit eigenartigen Mechanismen, eine Bestialität, in der der Mensch seit langem beseitigt ist … (140)
17. und 18. Jahrhundert: die Gruppen Melancholie, Manie, Imbezilität (Idiotie), Demenz. (199)
Zitat: »Es gibt Aspekte des Bösen, die eine derartige Ansteckungskraft haben, eine derartige Macht zu skandalisieren, dass jede Veröffentlichung sie vervielfachen würde … Seine Majestät entschloss sich dazu um so lieber, als sie überzeugt ist, dass es gewisse Verbrechen gibt, die man völlig in Vergessenheit geraten lassen müsste.« (Hat irgendein französischer König gesagt. Es hat lang gedauert, bis unsere Presse verzichtete, eingehend über Selbstmorde zu berichten. Die Ansteckungsgefahr ist groß.)
In diesem Sinne kann man von einer Transzendenz des Deliriums sprechen, die von oben die klassische Erfahrung mit dem Wahnsinn lenkt und die Versuche, ihn allein nach seinen Symptomen zu analysieren, lächerlich werden lässt. (196)