Es war einmal der Wilde Westen
Kann ein Film, der so heißt wie oben angegeben, ein Erfolg werden? Der Titel ist ein Hindernis. Sergio Leone (1929−1989) fing mit C’era una volta il West 1968 seine zweite Amerika-Trilogie an, nachdem er seine »Dollar-Trilogie« höchst erfolgreich abgeschlossen hatte. In Deutschland hieß der Western Spiel mir das Lied vom Tod, und er lief gestern Abend im Bayerischen Fernsehen. Ich hatte ja soeben über italienische Filmgeschichte geschrieben.
1964 begründete Leone, der im Jahrzehnt zuvor Mitarbeiter bei diversen »Sandalen-Filmen« in der Cinecittà in Rom war, das Genre des »Spaghetti-Western«. Für eine Handvoll Dollar (1964), Für ein paar Dollar mehr (1965) und Zwei glorreiche Halunken (1966) waren große Erfolge. Mit diesen Filmen, deren Außenaufnahmen meist in Spanien entstanden, wurde Clint Eastwood bekannt.
Es war einmal im Osten … am BodenseeIch machte mir ein paar Notizen und las dann herum. Bei der Lektüre von Georg Seeßlens Nachruf auf Leone 1989 klärten sich die Eindrücke. Er war auf der Basis von Semiotik, Semantik und der Zeichentheorie geschrieben, die in den 1980-er Jahren sehr beliebt waren. Das war die Sprache einer neuen intellektuellen Kinokritik.
Als Kinder hatten wir eine Schallplatte mit dem Soundtrack des Films, die bei uns immer wieder lief. Der Film ist legendär geworden, vor allem die Anfangsszene auf dem einsamen Bahnhof. Spiel mir das Lied vom Tod, ach, dieser Titel! Da liefen uns Gymnasiasten leise Schauder über den Rücken. Heute wirkt das Werk wie Kolportage, wie eine Persiflage auf den Western. Sergio Leone hat das Genre in seine »mythischen« Elemente zerlegt und diese überspitzt. Der Titel weist ja schon aufs Märchen hin. Es ist eine Western-Oper entstanden, deren Grausamkeit das vermeintlich Lächerliche überrollt; doch was heute fast grotesk wirkt, war vor über 40 Jahren neu und wirkte bedeutend.
Im Kontext der damaligen Kinokultur funktionierte der Film. Schüler sprachen die Dialoge nach. Heute aber spürt man das Manierierte, das Gewollte; die Kamera fährt auf die Gesichter zu und bleibt lange auf ihnen, und oft ist sie so expressiv, als wollte sie sagen: »Da, schau hin!« Die Schauplätze sind urtypisch, die Nebendarsteller von kauzig bis überkauzig, die Helden böser als böse. Schöne Motive des Komponisten Ennio Morricone werden unter schöne Landschaften gelegt, jeder Hauptakteur hat seine Melodie, und wenn sich Henry Fonda und Claudia Cardinale lieben, weint die Geige. Das kennt man aus Italien, da werden auch heute noch in vielen Filmen flauschige Musikteppiche ausgelegt.
Vor Cartagena, Spanien