Ängste
In meinem nächsten Buch, das im Oktober erscheint, geht es um FoMO: die Angst, etwas zu verpassen. Ängste gibt es eine Menge. Ich litt unter Klaustrophobie, geriet also in Tunnels und Aufzügen in Panik, und ich kenne auch andere Ängste, aber man kann sie ablegen, als hätte man sie nie gehabt, und ich bin auf dem Weg.
Desensibilisierung nennen das die Psychologen, wenn man sich absichtlich den ängstigenden Situationen aussetzt. Mit dem Aufzug gibt es kein Problem mehr, und eine Hängebrücke schaffe ich auch. Giovanna schlug mir den Erlebnisweg oberhalb von Saas-Almagell vor, ich stimmte zu, und dann kam die Brücke. Ging gut; nur auf der Mitte, wenn man sich klarmacht, dass da unter einem nur Luft ist und der felsige Erdboden fern, zögert man … Alles gut, geh weiter, sagte Giovanna, und später überquerte ich auch Brücken über reißenden Strömen.
Am nächsten Tag die Fahrt von Domodossola im Zug durch einen Tunnel. Nicht zu vergleichen mit dem Gotthard; plötzlich fiel mir aber die Geschichte Der Tunnel von Friedrich Dürrenmatt ein, die er als junger Mann (1952) schrieb. Beeindruckte mich in meiner Schulzeit. Ein junger Student fährt im Zug, doch der Tunnel will kein Ende nehmen. Mit dem Schaffner geht er vor zum Führerstand; doch da ist niemand mehr, es geht weiter, endlos, vermutlich dem Tod entgegen, und das letzte Wort ist nichts. Wenn man jung ist, beeindruckt einen so eine Erzählung.
Damals war ich kalt erwischt worden, es muss im Jahr 2001 gewesen sein, ich fuhr im Auto in den Gotthard ein und wurde von Panik befallen, sang und lenkte mich mühevoll ab, bis ich wieder im Freien war. Oder einmal in der Röhre, Panik kam auf, mein Herz raste; ich dachte intensiv an meine Liebste und überstand auch das.
Vor sechs Jahren in Nordfrankreich war da ein junges Mädchen, das mich anschwärmte, und ich ging einfach weiter, war wie erstarrt, und erst später erwachte ich. Ein Programm in mir hatte gewarnt: Duch Frauen droht Gefahr! Ignorier sie! Plötzlich ist man nicht mehr autonom, wird beherrscht von einem Trauma. Eine Instanz in dir drin will dich beschützen, obgleich du selbst dir eigentlich eine Begegnung wünschst. Das sind Ängste, die noch nicht bearbeitet sind, aber, wie gesagt, ich bin auf dem Weg.
Allmählich gelingt es mir, mich selber nicht mehr wichtig zu nehmen. Schaff den Beobachter ab, rät Chögyam Trungpa. Leb in der Gegenwart. Vergiss, was geschehen ist. Zieh einen Schleier zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart ein. Du bist jetzt, du bist in Hochform, du bist ein Miracle Worker, lass dich nicht beirren. Geh hinaus auf die Brücke, geh weiter, das Ziel im Auge. Schau nach vorn!