Die Weltmetropole der Bergradfahrer

028Ein französisches Städtchen in Savoyen hat sich ganz dem Rennrad verschrieben und sich eigenmächtig zur Weltmetropole der Bergradfahrer erklärt: St. Jean-de-Maurienne. Es liegt im Brennpunkt der genannten Gipfel Madeleine, Galibier und Croix du Fer, und Alpe d’Huez sowie der Col de l’Iseran sind nicht allzu weit entfernt. Ein idealer Startpunkt. Auffi muaß i!  

Das Fürstentum Savoyen übrigens war im 15. Jahrhundert sehr mächtig und reichte von Nizza bis hinauf zum Genfer See sowie hinüber nach Turin, das 1536 Hauptstadt wurde. Dann gingen Gebiete an die Eidgenossen verloren, Savoyen wurde Sardinien zugeschlagen, und 1860 trat König Victor Emmanuel II. das Land an Frankreich ab. Ende Savoyens. Kristian Bauer in seinem Roadbook Tour de France meint zwar, Bourg d’Oisans weiter südwestlich, das Alpe d’Huez vor der Tür hat, sei schöner als St. Jean, aber dazu kann ich nichts sagen.

Kleiner Blick nach St. Jean

Kleiner Blick nach St. Jean

Das Städtchen mit seinen 8.000 Einwohnern ist umringt von Bergen, über die nach Mitte August die Wolken quellen und es (meist nach 17 Uhr) regnen lassen. Eines Abends kam es dunkel vom Galibier heran, und dann schüttete es eine Stunde wie aus Kannen, mit wilder Wut kam das Wasser von oben: So etwas hatte ich selten erlebt. Am nächsten Tag dann wieder klare Luft und bestes Wetter.

Abendstimmung mit dem letzten Licht auf den Bergen

Abendstimmung mit dem letzten Licht auf den Bergen

066049Auf dem Campingplatz von St. Jean (Camping des Cols) ist man bestens aufgehoben, und direkt neben der versteckten Zufahrt am Flüsschen Arvan hat sogar ein Fahrradhändler sein Geschäft, das Dvelos heißt. Man wird von Franck überaus freundlich und kenntnisreich betreut.

Es gibt ein paar Pizzerien und ein paar Kebab-Läden, ein paar Cafés und Bäckereien. Der Uhrturm im Zentrum der Stadt und der Kreuzgang der Kathedrale sind sehenswert.

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Der Friedhof liegt auf einer Anhöhe am Rande der Stadt, nur von einer Straße vom Krankenhaus getrennt. Irgendwie französische Logik.

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Ich frage mich oft, warum die Bestattungsunternehmer in Frankreich in den Städten so sichtbar sind und finde als Erklärung nur, dass Franzosen eben pathetisch sind  (sie reden andauernd von der Liebe!) und der Tod das auch ist. Der Bestatter in der Hauptstraße von St. Jean hat sogar eine Gedenkplatte für passionierte Rennradfahrer im Programm, die in die andere Welt hinübergingen. So ein Objekt stellt man auf die Grabplatte. Kostenpunkt: 215 Euro.

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Überall in St. Jean-de-Maurienne und den Gemeinden ringsum gibt es Bilder und Schilder und Hinweise auf Rennräder, und nicht fehlen darf das Bergtrikot der Tour de France, das weiße mit den roten Punkten. Man entkommt dem Rennrad nicht.

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Im Zentrum des Ortes steht stolz das Theater Gérard Philipe. Das war en populärer französischer Schauspieler, der von 1922 bis 1959 lebte. Am letzten Abend, den ich in St.Jean verbrachte, endete das Sommerprogramm des Theaters, und Radio Meuh jagte Techno und Disco hinaus in die leere Luft, es gab Bier und es wurde getanzt. Man muss die klösterliche Einsamkeit des Campingplatzes verlassen, um das Leben zu fühlen, aber am stärksten spürt man es natürlich, wenn man sein Rad aufgepumpt, die Getränkeflaschen gefüllt hat und unterwegs ist nach oben.

Nach meinen Exkursionen begab ich mich nach Neuchatel in der Schweiz, damit die Rückfahrt nicht so lang würde, und am letzten Abend dort verabschiedete mich, was mich in St. Jean am ersten Abend begrüßt hatte: ein Regenbogen. Er war so prächtig wie selten einer, perfekt geformt, und reichte hinüber ans andere Ufer des Sees, nach Estavayer-le-Lac. Als Abschluss der Regenbogen (arc-en-ciel) von St. Jean, dann zwei Aufnahmen des triumphalen Neuchatelois-Regenbogen, wobei das letzte Bild (leicht Photoshop-behandelt) nunmehr einem Gemälde Tintorettos gleich. Que miracle!

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