Pegasus

Habe ich noch nie über Pegasus geschrieben, das Flügelpferd der Antike? Da wird es aber Zeit. Fahrräder heißen gerne Pegasus (E-Bikes auch), die Pegasus Airline fliegt von Frankfurt in die Türkei, und das Tier ist das Sinnbild der Dichtkunst. Gleich erfahren wir, weshalb.

In der griechischen Mythologie – bei Hesiod am besten nachzulesen, denke ich – hat der Meeresgott Poseidon Sex mit der Gorgone Medusa, was bei Pallas Athene, die zufällig hinzukommt, Wut auslöst: Sie verzaubert die Konkurrentin in ein überaus hässliches Wesen. Wer ihr ins Gesicht schaut, wird zu Stein. Der Held Perseus findet unter seinen Aufgaben die vor, Medusa zu töten. Er schaut sie nur gespiegelt von seinem Schild an, enthauptet sie, und aus ihrem Nacken entspringen Pegasus, das Flügelpferd, und sein Zwilling Chrysaor. Warum Pferde? Weil Poseidon, der auch der Chef der Pferde ist, als Pferd getarnt Medusa besprang.

Bellerophon schafft es mit Hilfe von Pegasus, das Ungeheuer Schimäre umzubringen (ihre Geschwister waren die vielköpfige Hydra, die Sphinx, Orthos und der Kerberos). Durch einen Hufschlag des Pegasus entspringen zwei Brunnen, die alle, die dessen Wasser trinken, angeblich zu Dichtern machen. Das merken wir uns mal.

Wasser im Garten der Villa in Badenweiler, die vor langer Zeit der Dichter René Schickele bewohnte

Wasser im Garten der Villa in Badenweiler, die vor langer Zeit der Dichter René Schickele bewohnte

Bellerophon soll später mit Pegasus zum Olymp geflogen sein, um zum Gott zu werden, doch Zeus, dem das nicht gefiel, schickte ein Insekt, das unser Flügelpferd stach. Vorher schon hatte es Zeus mit Blitz und Donner beschenkt, und da Pegasus seine Verdienste besaß, durfte er unbeschadet zum Olymp fliegen und dort weiter den Göttern helfen.

Auf dem "Olymp". Hinten links das weiße Flügelpferd

Auf dem „Olymp“. Hinten links das weiße Flügelpferd

Im chinesischen I Ging heißt es: »Es kommt ein weißes Flügelpferd.« Erläutert wird dieses Bild zur Nummer 22, Die Anmut, so:

Man ist in einer Lage, in der sich Zweifel ergeben, ob man weiterhin die Anmut äußeren Glanzes suchen soll oder ob es nicht besser ist, zur Einfachheit zurückzukehren. In diesem Zweifel liegt schon die Antwort. Von außen naht sich eine Bestärkung. Es kommt heran wie ein weißes Flügelpferd. Die weiße Farbe deutet auf Einfachheit. Und wenn es auch im ersten Augenblick enttäuschend wirken könnte, dass man die Bequemlichkeiten, die man auf anderm Wege sich verschaffen könnte, entbehren muss: in der treuen Verbindung mit dem Freund und Freier findet man Beruhigung. Das fliegende Pferd ist das Bild der Gedanken, die alle Schranken des Raums und der Zeit überfliegen.

Anmut und Lässigkeit: Flux-Konstrukteur Christian Mischner am Mont Ventoux

Anmut; und welche Lässigkeit: Flux-Konstrukteur Christian Mischner am Mont Ventoux

Das I Ging ist älter als die griechische Mythologie, und man darf sich fragen, woher das weiße Flügelpferd kommt. Ein Pferd mit Flügeln ist vielleicht ein ganz altes Bild, ein Archetypus, der vielen Völkern bekannt war und die Zeiten überspringt. Der Prophet Mohammed, der Friede sei mit ihm, ritt mit seinem Buraq in den Himmel und zurück. Buraq steht über dem Esel und unter dem Maultier und besitzt zwei Flügel; sein Antlitz gleicht dem Gesicht eines Menschen, seine Sprache gleicht dem reinen Arabisch. Es trägt seinen Namen, weil seine Schnelligkeit und sein Pfad wie der Blitz sind.

Jetzt sehen wir die Aufschrift Pegasus auf einem Fahrrad mit anderen Augen.

 

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