Doug Boyd, Storyteller

Doug Boyd habe ich schon ein paar Male erwähnt; nun will ich kurz auf sein Buch Mystics, Magicians, and Medicine People eingehen. Er schildert Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen, und er tut dies so, dass man dranbleibt und wissen will, wo es hinläuft. Doug Boyd war ein hervorragender Storyteller.

Storyteller (Geschichtenerzähler) ist das Stichwort. Storyteller hieß bekanntlicherweise auch das Buch von D. F. Jones über Sir Laurens van der Post, in dem nachgewiesen wurde, dass der südafrikanische Autor locker mit der Wahrheit umging und vieles zusammenbastelte. Auch André Malraux hatte ich erwähnt, dessen Bücher ebenfalls unter dem Verdacht des Fabulierens stehen. Und das bringt mich natürlich zu dem Fall des betrügerischen SPIEGEL-Journalisten Relotius, der vor Weihnachten offenbar wurde.

Als (Ex-)Journalist denkt man darüber nach. Ich war nie ein Freund des SPIEGEL: zu viel Rhetorik für meinen Geschmack, zu viel Konstruiertes, zu viel Brillanz. Viel Autoreneitelkeit. Und nun hat einer alle geblendet und die Über-Spiegel-Artikel geschrieben und wurde auch mit Journalistenpreisen bedacht, und besonders bitter ist, dass alle auf ihn reingefallen sind.

Erst einmal muss man sagen, dass es objektiven Journalismus nicht gibt. Auch eine Meldung hat eine Stoßrichtung; sie wurde ausgewählt und soll etwas belegen, und sei es nur, dass wir regiert werden und alles im Lot ist. Jede Zeitung hat ihre Linie, auf der musst du liegen und die musst du ausdrücken, sonst bist du raus. Die FAZ liebt die Autoindustrie und ist gegen Flüchtlinge und gegen die Merkel, und der SPIEGEL will das Beste überhaupt sein: große Geschichten, großes Kino. Das hat ihm im Fall Relotius ein Bein gestellt.

Und dann gibt es den gängigen Stil. Ot denke ich an die Aussage, dass um 1970 herum »echte Literatur« das war, was Handke schrieb. Wie Handke schrieb. Er hatte es getroffen. Wenn du es im Journalismus schaffst, den gängigen Stil zu bedienen, wirst du bewundert. Die Versuchung gibt es, eine Geschichte »rund« zu machen und sie ein bißchen zu frisieren, aber wer Ethos hat und ehrlich ist, tut das nicht. Gut, dass Brillanz einmal zerschellt.

Ich las, dass Journalisten gern Journalistenpreise einheimsen und ihre Geschichten so schreiben. Stefan Niggemeier hat nachgewiesen, dass der SPIEGEL auch in der Vergangenheit gern einmal etwas, das hingebogen wurde, damit die Aussage schön stimmig war, stehenließ. Die Technik, Beteiligte etwas denken zu lassen, ist auch fragwürdig, da literarisch und nicht journalistisch. Beiden Versuchungen darf man nicht nachgeben, das ist Verrat an der Wahrheit, so gräbt man sich ein eigenes Grab.

Ich wäre ja auch ein guter Storyteller gewesen, aber Brillanz wollte man vor 30 Jahre in der Presse-Agentur dpa nicht, man wollte gute, verlässliche Beamte haben. Ich schrieb unermüdlich, doch der Chefredakteur ignorierte das und ersuchte einen Kollegen, er möge doch mehr schreiben, damit man sich ein Bild machen könne. Der wurde dann Korrespondent in Madrid.

Medizinmänner und Mystiker

Doug Boyd. Er lebte acht Jahre in Seoul, gründete dann in Topeka ein Institut für interkulturelle Zusammenhänge und interessierte sich immer für Phänomene abseits des Mainstreams: den Medizinmann Rolling Thunder und Swami Rama. Über beide hat er in den 1970-er Jahren ein Buch geschrieben. Das erwähnte Buch kam später heraus, 1989, irgendwie ein Abfallprodukt, aber wenn jemand gut schreibt und gründlich ist, ist das kein Abfall, sondern sind das Perlen. Es entsteht ein Sog, und man will immer weiterlesen.

Aki traf er an einer Kreuzung in New York City. Aki war bei Nissan, ein junger Geschäftsmann, und dann stellt sich heraus, dass er jahrelang Karate betrieben hat, wo der Adept und die Adeptin vier Jahre lang Selbstkontrolle betreibt und nicht kämpfen darf. Es geht nicht um Gewalt oder Selbstverteidigung; lass dich nicht treffen, heißt die Devise, und wenn es dich erwischt, bist du auf unergründliche Weise mit dem Angreifer verbunden, du musst das ausmachen mit dir und ihm, es geht um Selbstkontrolle und vorausschauendes Handeln.

Mahayogini Rajalakshmi war Biochemie-Professorin in der Frauen-Universität Tirupati in Indien und auch Heilerin. Eine auffällige Gestalt, schön und selbstbewusst, und als sie einen Jungen mit verkrüppelten Beinen heilte, erklärt sie, die Heilerin handle nur, wenn der Kranke es wolle, andernfalls wäre es ein Eindringen. Der Kranke heilt sich selbst. Bei dem Jungen sei der Vater in ihm – oder der Vater, in dem das Kind existierte – zu ihr gekommen und habe sie ersucht, ihn zu heilen. »Ich machte nur Druck, weil ich selber Druck bekam. Und wie schön das Kind mitmachte! Weil es durch mich sich selbst Druck machte. Es ist wunderbar!«

Tsutomu konnte den feinstofflichen Körper behandeln. Er berührte den physischen Körper nicht, und doch wurde durch ihn etwas heil. Der ganze Körper ist im Geist, aber nicht der ganze Geist ist im Körper. Der ätherische Körper ragt aus dem physischen unsichtbar heraus, und der astrale ist anders, ist die Seele, ist hier und auch dort.

Schön auch Doug Boyds Erlebnis im Süden Südkoreas: Ein alter Mann hält eine Rede in altem Koreanisch. Sein Sohn versucht, sie wiederzugeben und sagt dann: »Ich kann es nicht. Hier, auf dieser Ebene, ist die Erklärung, aber auf der anderen, entfernten Ebene, ist die Weisheit, da weiß ich es; was ich weiß, kann ich nicht erklären, und was ich erklären kann, ist noch nicht die Weisheit.«

 

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