Nur vereint kommen wir weiter

Peter Novak schrieb 1997 das Buch The Division of Consciousness, und ein anderes Buch über Magie auf Hawaii brachte mich wieder auf Novaks wichtige Theorie, die kaum jemand kennt. Der Autor warnt vor dem Auseinanderbrechen der Psyche im Tod.

Annahme: Wir gehen im Tod hinüber in die andere Dimension, mit allem, was wir sind, also unserer Logik, unserem Wissen, unseren Erinnerungen. Max Freedom Long schreibt in Geheimes Wissen hinter Wundern (das Buch über Hawaii), das normale Geistwesen eines Verstorbenen setze sich

zusammen aus dem unterbewussten und oberbewussten Geist, wie im Leben auch. Dieses Geistwesen denkt und erinnert sich wie ein normales, lebendes Wesen und es bedient sich der gleichen Kräfte.

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Dann aber gibt es im Jenseits noch eine andere Art:

das unterbewusste Geistwesen eines Menschen, welches vor oder nach dem Tode durch Unfall oder Krankheit von seinem oberbewussten Begleiter getrennt wurde. Dieses Geistwesen hat ein vorzügliches Erinnerungsvermögen, ist aber ohne Logik … Es ist wie ein Kind; es verursacht oft Lärm und Geräusche und tritt oft spielerisch als »Poltergeist« auf.

Außerdem erscheint zuweilen das isolierte

oberbewusste Geistwesen des Menschen, das von seinem unbewussten Begleiter … abgetrennt wurde. Es ist erinnerungsunfähig und tritt daher als nahezu hilflose Geistererscheinung auf. Es wandert ziellos umher … Es spielt die Rolle einer »verlorenen Seele«, bis es irgend wann einmal gerettet wird und mit einem unterbewussten Geistteil zusammenkommt …

Diese Dualseele gibt es in vielen Traditionen. Wenn ein Mensch viel über sich nachgedacht und erkannt hat, wie er ist, hat er sein Unterbewusstes integriert. Dann tritt laut Robert Crookall im Tod sein »Double« aus dem Kopf aus und fliegt fort. Dabei ist der ätherische Körper (oder vehicle of vitality) sozusagen die Trägerrakete für den Astral- oder Seelen-Körper. Im »zweiten Tod« wird der Ätherkörper abgeworfen, und der Astralkörper tritt ins Paradies ein. Gelingt diese Operation nur halb, haften also noch viele Elemente des Ätherkörpers an, wird der Verstorbene in einer Art Hades umhergleiten oder auf der Erde bleiben.

Die Trennung von Bewusstem und Unbewusstem (Division of Consciousness) müsse unbedingt vermieden werden, schreibt Novak, der eine interessante Analogie vorbringt: Das unterbewusste Geistwesen entspricht der Seele der Christen, taucht ab und bleibt ohne Impulse reglos im Paradies liegen. Das oberbewusste Geistwesen, abgeschnitten von seinen Erinnerungen und Emotionen, schwebt dafür frei dahin, ist aber ohne Erinnerung. Es will die Reinkarnation, also die Verbindung mit einem Körper. Im Tibetischen Totenbuch ist es klar geschildert: In den ersten Tagen nach dem Tod treten die rasenden Gottheiten auf, und man soll sich mit seinen Trieben und seinem Schatten konfrontieren. Weicht man aus, so geht man hilflos und rasch einer neuen Inkarnation entgegen.

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In Christen- und Judentum ist Gott absolut bewusst, der Mensch unbewusst (im Theater: die Zuschauer im Dunkeln, das Bewusstsein nimmt die Bühne ein); in Buddhismus und Hinduismus ist der Mensch äußerst bewusst (im asiatischen Theater, etwa im japanischen Nō-Theater: helle Bühne, heller Innenraum), während der Schöpfer unbewusst ist.

Wichtig wäre eine Vereinigung beider Lehren. In Wahrheit leben die Toten mit all ihrem Vermögen, doch wer religiös verengt denkt, versteift sich auf das Paradies und dessen Immobilität … oder eben auf die nächste Reinkarnation, also weitere Bewegung. (Eigentlich eine Paradoxie, dass der aktive westliche Mensch, wenn er Christ ist, sich wünscht, in Frieden zu ruhen, während der kontemplative östliche Mensch meint, weitergehen zu müssen.) Immer neue Erinnerungen in Erdenleben zu sammeln und sie dann wieder wegzusprengen, ist ebenso fruchtlos und mühevoll wie in Frieden zu ruhen, denn neue Erfahrungen sind an einem friedlichen Ruheort nicht zu haben.

Beide Religionen spalten ab und erhöhen die Gefahr der Bewusstseins-Teilung. Die Christen suhlen sich in Emotionen und erwartet die Erlösung, die Erhörung. Sie bleiben passiv. Die Buddhisten wollen ihr Ich mitsamt Erinnerungen vergessen, für sie gibt es nur das Rad der Wiedergeburt. Was man erwartet, wird man bekommen. Wer freilich gar nichts glaubt, ist unvorbereitet und weiß nicht, welche Möglichkeiten sie/er hat.

Die meisten Seelen werden sich eine Weile in der unteren Astralwelt aufhalten und dann eigenständig einen Weg in eine höhere Dimension suchen, näher hin zur Quelle. Religion ist auf dem Weg durch die Zeiten ein hinderlicher Ballast. Liebe und Dienst am Nächsten bringen einen auf den Weg, aber Vorurteilsfreiheit und Wagemut sind außerdem gefordert.

Abbildungen: Oben San Giovanni in Laterano, Rom; unten Petro e Paolo, Otmarsheim, Elsass, Seitenkapelle.

 

 

 

 

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