La nuit de la photo, Ausgabe 8
Schön, wir waren wieder bei der Nuit de la Photo in der Westschweiz, Giovanna und ich. La Chaux-de-Fonds, der Schauplatz, liegt auf 1000 Meter über dem Meer, zeigte uns in der Stadt Berge von Schnee und außerhalb jungfräulich weiße Flächen unter blauem Himmel, und dann Hunderte Fotos aus aller Welt. Ein Traumwochenende.
Ich hatte seit meiner Italien-Reise nur wenige Bilder gemacht, und nun konnte ich mir über die Bilder anderer Gedanken machen. Fotografie ist ja ein beliebtes Hobby; jeder meint, es zu verstehen und arbeitet drauflos. Wenn Profis am Werk sind, sieht das anders aus. An acht Locations (passend zur achten Ausgabe) in der Stadt waren kurze Kompositionen zu sehen – meist nur zehn Bilder hintereinander, von Musik begleitet und mit einem einleitenden Text versehen, der leider meist zu lang, überladen und nur auf Französisch war. Also schlich man durch die Stadt, schaute sich die Werke an, gab seine Beurteilung ab und wanderte weiter.
Dann gab es einen Sieger, der um ein Uhr morgens verkündet wurde; es war wirklich eine lange Nacht, die um 19 Uhr begonnen hatte. Der Publikumspreis ging an Christopher Brown, einen 40 Jahre alten Amerikaner, der im November 2016 den Beerdigungszug von Fidel Castro durch Kuba begleitet hatte. Yo soy Fidel hieß der Beitrag, Kuba war im Saal Ester der Schwerpunkt gewesen, insofern war es keine Überraschung.
Aber auch andere wunderbare Arbeiten hätten den Sieg verdient gehabt. Mir gefiel zum Beispiel T(h)races 2007-2017 von Wladimir Wasiljew, einem 1977 geborenen Bulgaren, der sein Land verließ, einige Jahre ohne Papiere in Frankreich lebte und dann zurückkehrte, um seine Landsleute, die er liebt, wie er bekundete, zu porträtieren. Er verbrachte viel Zeit mit ihnen, wartete auf den richtigen Moment für einen Schnappschuss und zeigte ihnen später das Ergebnis. Alle waren einverstanden. Das ist Fotografie, die die Würde ihrer Protagonisten achtet.
Ich kann nur ein paar Beispiele herausgreifen. Virginia Rebetez (Schweiz, 1979 geboren) suchte weise Männer und Frauen des Kantons Fribourg auf und erzählte ihnen von dem Heiler Claude Bergier, der im August 1628 als Hexer verbrannt worden war, und dann ließ sie die Heiler ihre Eindrücke dazu schildern. Ein Foto daraus erinnerte mich an die Einstiegsszene im Jenseits aus Biutiful, einem meiner Lieblingsfilme, von Iñárritu.
Feng Li (China, 1971) hatte vor zehn Jahren eine Vision, die ihn nicht mehr losließ (ein Weihnachtsbaum kam vom Himmel, ein überirdisches Licht erschien, Erdgeister tanzten) und fotografiert seither ziemlich schräg bis humoristisch, was ihm in seiner Welt auffällt. Wir sehen die Fotos seiner White Night auf seiner Homepage.
Der Deutsch-Amerikaner Michael Wolf (geb. 1954) porträtierte Pendler in der U-Bahn von Tokio, die keinen Platz haben und an die Scheibe gedrückt werden, was das ganze Elend des städtischen Menschen zeigt. Er bekam den dritten Preis des Publikums. Unprätentiöse Fotografie kann es schaffen, zu zeigen, wie Menschen leben, wie sie das Leben aushalten und dennoch fröhlich bleiben, und sie ist am besten, wenn sie sich von Politik und Dogmen fernhält und einfach darstellt, was ihr vors Auge (des Objektivs) kommt. Die Grenzen und Probleme der Fotografie können wir in einem weiteren Beitrag beleuchten.