Harry Heine (4)
Und dann lag der arme Harry jahrelang in seiner Matratzengruft in Paris. Von 1848 bis zu seinem Tod 1856 konnte er das Bett kaum mehr verlassen. Es muss sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems gehandelt haben. Was blieb ihm da noch als Schreiben? Mathilde umsorgte ihn, die Gute. In seinen letzten Gedichten geht es natürlich um den bevorstehenden Tod, aber sein Witz verließ ihn nie.
Im Januar 1848 schrieb, wie auf Wikipedia steht, Friedrich Engels: »Heine ist am Kaputtgehen. Vor 14 Tagen war ich bei ihm, da lag er im Bett und hatte einen Nervenanfall gehabt. Gestern war er auf, aber höchst elend. Er kann keine drei Schritt mehr gehen, er schleicht, an den Mauern sich stützend, von Fauteuil bis ans Bett und vice versa.« Und so musste er noch leben bis zum 17. Februar 1856, seinem letzten Tag.
Der Abgekühlte
Und ist man tot, so muss man lang
Im Grabe liegen; ich bin bang,
Ja, ich bin bang, das Auferstehen
Wird nicht so schnell vonstatten gehen.
Noch einmal, eh‘ mein Lebenslicht
Erlöschet, eh‘ mein Herze bricht —
Noch einmal möcht ich vor dem Sterben
Von Frauenhuld beseligt werden.
Und eine Blonde müsst es sein,
Mit Augen sanft wie Mondenschein —
Denn schlecht bekommen mir am Ende
Die wild brünetten Sonnenbrände.
Das junge Volk voll Lebenskraft
Will den Tumult der Leidenschaft,
Das ist ein Rasen, Schwören, Poltern
Und wechselseit’ges Seelenfoltern!
Unjung und nicht mehr ganz gesund,
Wie ich es bin zu dieser Stund‘,
Möcht ich noch einmal lieben, schwärmen
Und glücklich sein — doch ohne Lärmen.
Und rührend, wie Harry, der nie besonders religiös war, die Engel beschwört, sie sollten auf seine Mathilde achtgeben! Das Gedicht heißt auch
An die Engel
Das ist der böse Thanatos,
Er kommt auf einem fahlen Ross;
Ich hör den Hufschlag, hör den Trab,
Der dunkle Reiter holt mich ab —
Er reißt mich fort, Mathilden soll ich lassen,
Oh, den Gedanken kann mein Herz nicht fassen!
Sie war mir Weib und Kind zugleich,
Und geh ich in das Schattenreich,
Wird Witwe sie und Waise sein!
Ich lass in dieser Welt allein
Das Weib, das Kind, das, trauend meinem Mute,
Sorglos und treu an meinem Herzen ruhte.
Ihr Engel in den Himmelshöhn,
Vernehmt mein Schluchzen und mein Flehn:
Beschützt, wenn ich im öden Grab,
Das Weib, das ich geliebet hab;
Seid Schild und Vögte eurem Ebenbilde,
Beschützt, beschirmt mein armes Kind, Mathilde.
Bei allen Tränen, die ihr je
Geweint um unser Menschenweh;
Beim Wort, das nur der Priester kennt
Und niemals ohne Schauder nennt,
Bei eurer eignen Schönheit, Huld und Milde,
Beschwör ich euch, ihr Engel, schützt Mathilde.