Die Vergänglichkeit

Bleiben wir in der christlichen Mythologie, halten wir uns an den Karfreitag und bieten den Untergang, der zwei Tage später durch die Auferstehung seinen Schrecken verliert. In seinem langen Gedicht Die Vergänglichkeit unterhalten sich ein Sohn und ein Vater. Der Ätti schildert den Weltuntergang; alles werde hinabgehen, und das gehört zu den Hebelschen Katastrophen.

Dass sogar Basel untergehen wird, kann der Bub nicht glauben. Das sei nicht sein Ernst, das könne nicht sein! Der Ätti meint es jedoch durchaus ernst. Er malt ihm alles aus.

Der Ätti seit:

Je, ’s isch nit anderst, lueg mi an, wie d’witt,
und mit der Zit verbrennt die ganzi Welt.
Es goht e Wächter us um Mitternacht,
e fremde Ma, me weiß nicht, wer er isch,
er funklet, wie ne Stern, und rüeft: »Wacht auf!
Wacht auf, es kommt der Tag!« — Drob  rötet si
der Himmel, und es dundert überal,
zerst heimlig, alsgmach lut, wie sellemol,
wo Anno sechsenünzig der Franzos
so uding gsschosse het. Der Bode schwankt,
aß d’Chilchrün guge; d’Glocke schlagen a,
und lüte selber Bettzit wit und breit,
und alles bettet. Drüber chunnt der Tag;
o, bhütis Gott, me brucht ke Sunn derzu,
der Himmel stoht im Blitz, und d’Welt im Glast.
Druf geschieht no viel, i ha jez nit der Zit;
und endli zündet’s a, und brennt und brennt,
wo Boden isch, und niemes löscht. Es glumst
wohl selber ab. Wie meinsch, sieht’s us derno?

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Das ist würdig der Apokalypse des Johannes. Alles bettet (betet), die Glocken läuten von selber die Bettzit (Bettzeit), es dundert (donnert), und alles brennt und niemand löscht, und wie meinst du, sieht es danach aus? fragt er seinen Sohn. Und der Bub sagt, Sag mir nichts mehr, aber wie geht’s denn den Leuten, wenn alles brennt und brennt? Was seit (sagt) der Ätti?

Der Ätti seit:

He, d’Lüt sind nümme do, wenn’s brennt, sie sin —
wo sin sie? Seig du fromm, und halt di wohl,
geb, wo de bisch, und bhalt di Gwisse rein!
Siehsch nit, wie d’Luft mit schöne Sterne prangt!
’s isch jede Stern verglichlige ne Dorf,
und witer obe seig e schöni Stadt,
me sieht si nit vo do, und haltsch di gut,
se chunnsch in so ne Stern, und ’s isch der wohl,
und findsch der Ätti dort, wenn’s Gottswill isch,
und ’s Chüngi selig, d’Mutter. Obbe fahrsch
au d’Milchstroß uf in die verborgeni Stadt,
und wenn de sitwärts abe luegsch, was siehtsch?
e Röttler Schloss! Der Belche stoht verchohlt,
der Blauen au, as wie zwee alti Türn,
und zwisch drinn isch alles use brennt,
bis tief in Boden abe. D’Wiese hat
ke Wasser meh, ’s isch alles öd und schwarz,
und totestill, so wit me luegt — das siehsch,
und seisch dimi Kamerad, wo mitder goht:
»Lueg, dört isch d’Erde gis, und selle Berg
het Belche gheiße! Nit gar wit dervo
isch Wislet gsi; dört hani au scho glebt
und Stiere gwettet, Holz go Basel gführt,
und brochet, Matte graust, und Liechtspöh gmacht,
und gvätterlet, bis an mi selig End,
und möcht jez nümme hi.« — »Hüst Laubi, Merz!«

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Die letzten Worte des Vaters sind wohl ein Befehl für sein Pferd. Mehr will er nicht mehr sagen nach diesem grandiosen Panorama, das er seinem Sohn schildert. Er stellt ihm in Aussicht, dereinst — gute Führung vorausgesetzt — die Aussicht von oben auf das Elend genießen zu können, und viele Nahtod-Zeugen schilderten, wie sie im All schwebten und tatsächlich von weit oben auf die Erde schauten, wobei sie alles verstanden. Belchen und Blauen verkohlt! Die Wiese, der kleine Fluss, ohne Wasser! Da unten hast du gelebt, aber dann möchtest du da nicht mehr hin.

 

 

 

 

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