Respektiert mich!

Ein Wohnungseigentümer in unserer Versammlung hatte eine lange Liste und führte aus … Da liege eine Plane rum. Ein Mädchen sagte: »Das ist meine, die hab ich …« − »Würden Sie mich vielleicht ausreden lassen?« − »Ich habe die doch nur …« − »Unterbrechen Sie mich nicht! Ich habe das Recht …«Und so weiter. Leute verschaffen sich Respekt.

Kann ja vorkommen. Solche Leute gibt es, sie wollen ungestört monologisieren. Eine Kollegin sagte in einer Bedsprechung (wir waren nur zu viert) zu mir: »Würdest du mich nicht unterbrechen!« Ich will noch was sagen, da wirft sie mir einen bösen Blick zu und ist richtig beleidigt, und ich war auch verärgert. Bei einer Mini-Besprechung muss das wirklich nicht sein. Du musst nicht überall deine Würde in Gefahr sehen, wenn einer spontan ist. Du musst nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Im Supermarkt mache ich vor der jungen Kassiererin einen Witz über die riesigen Osterhasen, die von oben über alle wachen. War ein guter Witz. Sie hat nicht drauf reagiert. War unter ihrer Würde. Schaut vor sich hin und rechnet ab, klack, zwei Euro dreißig. Hey, was ist da los? Irgendwie stimmt das mit Fomo. Alle wollen alles richtig machen und grenzen ihre öffentliche Person von der privaten ab. Vorsicht herrscht.

Auf Facebook zeigt man sich ja, wie man gesehen werden möchte. In der Firma muss man einen markieren, der alles hinkriegt. Aufpassen muss man, dass man nicht im Privatleben auch eine Maske aufsetzt, denn dann steckt man tief drin im Selbstbetrug. Man passt bloß noch auf. Man nährt ein Aufpasser-Ich, das einen blockiert und irgendwann auffrisst.

Junge Fußballspieler geben Platitüden von sich, die vor dreißig Jahren schon lahm geklungen hätten. Es wird beklagt, dass im Sport die Persönlichkeiten fehlen. Man will seine Persönlichkeit − wenn man denn eine hat –nicht preisgeben. Die Öffentlichkeit ist streng. Da kommt gleich über die sozialen Medien der shitstorm, wenn einer etwas nicht Konformes ablässt. Dass Fußballtrainer wie Politiker reden, weiß man ja. Allmählich wird das ganze soziale Leben zu Politik. Reden, aber nichts sagen. Pausenlos reden.

Man hat zu viel zu verlieren. Nach oben gibt man klein bei, auf derselben Ebene verschafft man sich Raum, indem man auf seine Würde besteht. Nein, es ist nicht mehr lustig im Land. Durch das hemmungslose Kommunizieren haben wir das Draußen überbetont und sind vom Anderen abhängig geworden, und ein Gott, der dich bedingungslos liebt, ist fern: so far away from God. Why can’t we be togehter? No more war, no more war, just peace on earth.

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