Hybris

Der dünne Mann geht pfeifend über die Straße und steigt in einen großen, schwarzen, glänzenden Range Rover ein und fährt ab. Ein anderer steigt mit seiner Freundin und  Mini-Hund in einen riesenhaften scshwarzen Porsche, außen schwarz, innen Leder. Der dritte, den kenne ich, lenkt ein Jaguar-Ungetüm. Auch ein kleiner Mann. Hybris.

Hybris heißt Überheblichkeit. Diese kleinen Männer halten es anscheinend für ganz normal, in ein Monster von Fahrzeug einzusteigen, als seien sie Lastwagenfahrer. Sie bewegen problemlos zwei Tonnen über Land, die gar nicht zu ihnen passen. Den Gedanken hatte ich in Fomo ausgeführt: Die Objekte sind den Menschen über den Kopf gewachsen und zu perfekt geworden. Wie könnte der Mensch −  der fehlbare, verdorbene, vergängliche Mensch − ihnen ebenbürtig werden? Vermutlich nur, indem er weise wird. Aber dann sieht er ein, dass ein obszön großes Fahrzeug falsch ist.

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Diese Fahrzeuge werden produziert. Man darf sie fahren, wenn man das Geld hat. Früher machten sich die Adeligen dicke, die das Vorrecht der adeligen Geburt hatten. Heute braucht man nur das Vorrecht, Geld zu haben, und das hat mit Leistung oft nicht viel zu tun. Man sieht, dass da etwas nicht stimmt. Aufgeblähte Egos bei dummen Menschen, die durch Prolo-Protzertum und Angeberei glänzen, und es fehlen einem die Worte.

Schön, de Cadillac. Das war um 1955, sowas hatte der Financier Münemann in München. Heute haben viele sowas.

Schön, de Cadillac. Das war um 1955, sowas hatte der Financier Münemann in München. Heute haben viele sowas.

 

Dann noch: Alle fahren Auto. Von 18 bis 88 ist es heute nicht nur normal, sondern anscheinend unverzichtbar. Junge Mädchen gleiten im Cabrio dahin, uralte Frauen fahren ziellos herum, alte Männer auch, und junge Männer sind die schlimmsten, die rasen auch noch, und wenn man eine weiße Limousine sieht mit einem unrasierten jungen Mann, der eine betont kaltschnäuzige Miene zeigt, dann weiß man, der findet es geil, einen Wagen schnell zu bewegen, bloß weg!

Unbedarfte Bürger fahren am Wochenende umher, um irgendwas zu machen, weil das Wetter schön ist, und freilich sind 80 Prozent aller Fahrten verzichtbar, weil es nur Fahrten ins Café und auf Ausflug sind. Am Wochenende sollte man daheimbleiben. Ich weiß nicht, warum mich das alles so nervt. Ich bin ja doch der »geborene Kavallerist«, darum habe ich einmal die Stelle von Edzard Schaper erwähnt (letzter Absatz in diesem Artikel), die mit dem »sich zu breit Machen in der Schöpfung«.

Aber wohin kann ich mich einmal wenden? Wo gibt es keine Autos oder nur wenige? Saas Fee, Insel Elba, Tunesien, Haiti? Deutschland ist nun wie Italien geworden, das schon vor 20 Jahren, als ich dort war, verseucht war mit Automobilen. Jetzt ist es bei uns wie damals schon in Italien, als ich schrieb, man hätte, wo man auch fahre, einen hinter sich, wie giftigen grünen Schleim. In jedem Kaff manövrieren die Autos umher, denn wer ein Auto vor der Tür hat, dem fällt immer ein, wohin er fahren könnte.

Und drin sitzen immer unbedarfte Leute, sie sind ja völlig unbedarft und haben keine Ahnung. Und leider wissen sie nicht, dass sie keine Ahnung haben, leben glücklich und zufrieden. Gönnen wir es ihnen, wenn sie brav fahren.

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