Über Algerien

Kürzlich im Landsberger Welt-Laden gekauft und gelesen: das Buch Weißes Algerien (1995) von Assia Djebar, die auf manipogo erst einmal zum Zug kam. Die algerische Autorin, 1936 geboren und am 6. Februar 2015 gestorben (was mir entging), schildert die letzten Tage von Freunden, die von Islamisten ermordet wurden. Im algerischen Bürgerkrieg in den 1990-er Jahren starben 120.000 Menschen.

Als ich 1978 durch Algerien kam, war ich fasziniert von der Weite der Landschaft und deren Schönheit sowie von der Zurückhaltung und dem Stolz ihrer Bewohner. Es ist ein wahrhaft riesiges Land, zu dem der Großteil der Sahara gehört.

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Zehn Jahre später brachen in Algier Unruhen aus, die Islamisten schickten sich an, die Wahlen zu gewinnen, die sodann vom Militär gestoppt wurden. Die Fundamentalisten-Partei, die Heilsfront, wurde verboten, ging in den Untergrund und verübte Morde und Attentate, und das Militär beging ebenfalls Grausamkeiten, die Tausende Tote zur Folge hatten.

Also: Reaktion auf die gegnerische Handlung, Repressalien und Razzien, Vergeltungssschläge und dann wieder der Gegenschlag.  Auge um Auge. Hunderttausende französische Soldaten – Frankreich war die Kolonialmacht – hatten es mit ein paar tausend Widerständler und »Terroristen« in den Städten zu tun.

Am 19. Juni 1956 richtete das Militär zwei Männer hin, und danach wollte der städtische Widerstand in Algier die Attentate gegen Europäer verstärken – Kinder und Frauen sollten verschont bleiben, hört! Die Polizei half mit, vier Wohnblocks in Algier in die Luft zu sprengen, es gab hunderte Tote, und erst nach sechs verlustreichen Jahren wurde Algerien 1962 in die Unabhängigkeit entlassen.

1999, nach dem Bürgerkrieg, rief man dann zur Versöhnung auf, und Präsident Bouteflika verkündete eine Amnestie, die aber nicht für Morde gelten sollte. Ob damit Versöhnung erreicht wird? Man braucht Vergebung und hätte sich an Südafrika orientieren können, deren Versöhnungskommission erst ein Jahr davor ein Fazi tgezogen hatte.

Doch Algerien, das sich erst nach einem blutigen Krieg 1962 von seiner Kolonialmacht Frankreich befreien hatte können, bleibt eine Militärdiktatur, die im Jahr 10 Milliarden Dollar für Waffen und Soldaten ausgibt. Im weltweiten Korruptions- und Demokratieindex liegt das Land weit hinten. Doch derzeit tut sich etwas, wie Charlotte Wiedemann auf Qantara.de schreibt:

Über die Disziplin und Friedfertigkeit, mit der in Algier gerade zum elften Mal in Folge hunderttausende auf die Straße gingen, notierte die Algerienkennerin Sabine Kebir, es präsentiere sich hier ›eine zu machtvoller Selbstorganisation fähige Bürgergesellschaft‹, wie sie einem Land, das in den neunziger Jahren vom Bürgerkrieg zerrissen wurde, nicht zugetraut worden sei.

Schade, dass Albert Camus so früh gestorben ist, er war eine Stimme des Landes. Assia Djebar betont in allen ihren Büchern die Bedeutung von Stimme und Sprache, und die Islamisten wollten gezielt die liberalen, versöhnungsbereiten Stimmen zum Schweigen bringen, und so wurden wertvolle Denker ausgelöscht.  Assie Djebar hat ihnen ein Denkmal gesetzt, und so sind sie nicht vergessen.

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