Aus Afrika
Gute Literatur verrät einem etwas über Menschen aus anderen Kontinenten. Wir sollten immer hinzulernen wollen, und selbst wenn wir die Handlung vergessen – irgendetwas setzt sich fest. Zwei Bücher will ich kurz besprechen: Eiserne Zeit des Literaturnobelpreisträgers J. M. Coetzee und Drei starke Frauen von Marie Ndiaye. Beide spielen im subsaharischen Afrika, wo’s immer — jeden Tag, jede Nacht — so heiß ist wie bei uns jetzt gerade. Darum lesen, am Pool, mit einem Caipirinha neben sich.
Gute Bücher sind es, ja. Coetzee behandelt in dem Buch (2003 erschienen) das damalige Apartheidregime in Südafrika. Elizabeth Curren hat eine Krebsdiagnose bekommen und schreibt einen langen Brief – er ist das Buch – an ihre in den USA lebende Tochter. Darin erzählt sie auch von dem Obdachlosen, der sich bei ihr eingenistet hat und der Vercueil heißt. Mit ihm erlebt sie ein paar Abenteuer, und er, der schmutzige, Alkohol trinkende Mann mit seinem Hund, wird ihr zum Begleiter und Vertrauten.
Frau Curren hat eine Villa mit Garten, und der Gegensatz zu dem armen Vercueil könnte nicht größer sein. Aber ihn überwindet Literatur, die sich gern waghalsigen Experimenten aussetzt. Coetzee ist ein brillanter Schreiber, dennoch war ich etwas unzufrieden. Mich nervte, wie die Frau den Obdachlosen mit ihren Gefühlen und ihrer Sensibilität überschüttet, eindeutig die Empfindungen einer gebildeten selbstbezogenen Frau, und das kommt manchmal etwas humorlos rüber.
Humor gibt es dafür in dem Buch Drei starke Frauen von Marie NDiaye, die 1967 in Frankreich geboren wurde und einen senegalesischen Vater hat. Sie lebte in vielen Ländern, heute in Berlin und hat schon 15 Romane und 5 Theaterstücke verfasst. Ihr Buch von 2016 hat drei Teile über drei Afrikanerinnen; Fanta, die im zweiten Stück von ihrem Mann Rudy nach Frankreich gelotst wurde, bleibt jedoch unsichtbar und ist die Adressatin von Rudys verzweifelt-komischen Monologen, in denen sich die Ängste eines erfolglosen mitteleuropäischen Mannes abbilden.
Norah besucht im ersten Teil ihren Vater in Dakar, weil er sich das gewünscht hat. Sie soll ihren Bruder Sony, der wegen Mordes im Gefängnis sitzt, retten. Ob er den Mord begangen hat, ist unklar. Verwickelte Familienverhältnisse und ein harter Kommandeur als Vater; das gehört zu Afrika und muss aufgearbeitet werden. Ergreifend ist die Geschichte von Khady Demba, die in Teil drei stellvertretend für Tausende andere erzählt wird. Frau Ndiaye kriecht in deren Haut, und das geht an die Nieren.
Khady hat einen sanften Mann geheiratet, mit dem sie eine Imbissbude betreibt. Sie wird einfach nicht schwanger, und als ihr Mann plötzlich stirbt, ist sie gezwungen, zu dessen Familie zu ziehen. Die macht ihm klar, dass sie weg muss. Man gibt ihr Geld, ein Schleuser bringt sie mit vielen anderen zu einem Schiff, das sie aber nicht besteigt. Sie strandet in einem Saharadorf, muss ein Jahr lang liegend Männer zu sich lassen, bis sie dann, abgemagert und von Schmerzen gebeutelt, gleichwohl sie selbst geblieben, das Ziel vor Augen hat, den Zaun, der zu überqueren ist, um in den gelobten Erdteil zu kommen. Sie erreicht ein anderes gelobtes Land.