Geister helfen über den Berg
Natuzza Evolo aus Paravati (1924−1909) war eine berühmte süditalienische Heilerin und Stigmatisierte. In einem Buch von Anna Maria Turi über sie (1995, Edizioni Mediterranee) fand ich eine köstliche Passage über Geister, die einem Radfahrer über den Berg helfen: die Schnittmenge Fahrrad und Psi! Nur ein besessener Leser wie ich kann solche Stellen aufspüren, die kein Mensch kennt. Und so führen wir schon auf die 3 Weihnachtsbeiträge auf manipogo hin. Ein Herz für Geister!
Der Assessor Francesco Mesiano gehörte zu denen, die nicht so sehr an die übernatürlichen Gaben von Natuzza Evolo glaubten. Am 5. November 1948 wechselten er, seine Verlobte und sein Kusin am Gartentor einige Worte mit der damals jungen Heilerin. Mesiano ging mit seinen Begleitern noch 300 Meter, dann schwang er sich aufs Fahrrad und fuhr los, Richtung Mileto, wo er lebte. Er schrieb später:
»Als ich die Stelle erreichte, wo die Nationalstraße einen Knick macht und die Steigung anstrengend wird, bemerkte ich, dass das Fahrrad mit unverminderter Geschwindigkeit weiterfuhr, als ob die Straße eben wäre, statt anzusteigen. Als ich nach der nächsten Kurve das Tor des Landguts ›Quisiana‹ passierte, spürte ich einen starken Schubs, der exakt demjenigen glich, den man spürt, wenn jemand dem Radfahrer helfen will und sein Rad am Sattel kräftig anschiebt. Ich drehte mich instinktiv um, sah jedoch niemanden. Mit diesem unerklärlichen Anschub legte ich noch einmal hundert Meter zurück, ohne in die Pedale zu treten.«
Seit einigen Minuten hätte er damals an die Evolo gedacht und an die Verstorbenen, von denen sie zuvor gesprochen hätten und die sich zuweilen Scherze mit den Lebenden erlaubten, damit diese an ihre Existenz glaubten. Seine Mutter empfing ihn und fragte, ob es Neues bei der Evolo gebe, und er erzählte ihr die unglaubliche Geschichte.
Geisterradler (links) in Leverkusen: Foto von Stefan AndresZwei Tage später empfing ihn Natuzza Evolo mysteriös lächelnd und fragte: »Seid ihr immer noch skeptisch wie gehabt? Eure Verstorbenen haben Euch ja einen Beweis ihrer Anwesenheit geliefert, und es tut mir fast leid, dass sie Euch etwas Gutes getan und Euch geholfen haben, die Steigung ohne Anstrengung zu schaffen.« Mesiano war verblüfft und tat so, als verstünde er nicht. Sie wurde deutlicher und berichtete, kurz nachdem er sich entfernt habe, hätten sich zwei Verstorbene bei ihr gemeldet, Verwandte von ihm, und hätten ihn nach Hause begleiten wollen.
Kurz nach seiner Heimkehr hätten die beiden Geister Natuzza Bericht erstattet: Mesiano sei gut heimgekommen und hätte die Geschichte sogar seiner Mutter erzählt. Francesco Mesiano ließ sich langsam überzeugen und schrieb viel später, 1974, das Buch I fenomeni paranormali di Natuzza Evolo.
Natürlich glaube ich die Geschichte. Sehr ungewöhnlich, dass Verstorbene derart zupacken; normalerweise fällt es ihnen schwer, Objekte zu bewegen (wir kommen irgendwann beim Essay über Psychokinese darauf). Vermutlich war auch Mesiano mediumistisch begabt, und sie konnten seine Kraft benutzen. Dass Verstorbene wissen, was wir tun, quasi »live« an unserem Leben teilhaben (wenn sie uns lieben) und sogar unsere Gedanken kennen, grad wie der Liebe Gott, das finde ich immer noch ungeheuer.