Dralas und andere Geister

Amira El-Zain schreibt im Vorwort ihres Buches, dass der Mensch seit jeher an unsichtbare Bereiche glaubt, die von Geistern bevölkert sind, und William James hat so sogar Religion definiert: »Man könnte sagen, dass sie aus dem Glauben an eine nicht sichtbare Ordnung besteht und dass es unser höchstes Ziel ist, uns auf harmonische Weise damit zu arrangieren.« Die Autorin des Dschinn-Buchs setzt dann zu einem kurzen Überblick an, dem wir folgen wollen.

auto2Die Indianer Nordamerikas fühlten sich am stärksten von einer Geisterwelt angezogen, und für sie war das ganze Universum belebt und seelenhaft. Den Schöpfer nennen sie den Großen Geist oder das Große Geheimnis, und ein Medizinmann erklärt uns: »Die Dinge sind nicht als solche geheimnisvoll, sondern sind Manifestationen von Geheimnissen, und der Große Geist oder das Große Geheimnis fasst sie zu einer transzendentalen Einheit zusammen.«Vor fast zwei Jahren habe ich einmal aus einem Buch von Paracelsus zitiert, und dabei kamen die Erd-, Wasser, Feuer- und Luft-Geister vor, die wir im Westen seit Jahrhunderten kennen. In Märchen kommen sie manchmal vor, meistens sind sie hilfreich, und böse werden sie nur, wenn wir sie schlecht behandeln.

In der Shinto-Religion Japans heißen die Naturgeister, die überall zu finden sind, kami. Es gibt gute und aggressive Geister. Auch der Buddhismus kennt diese Unterscheidung in gute und böse Geister. DSCN5065Im Mahayana- und im Theravada-Buddhismus, stark vertreten in Südostasien, ist der Glaube an unsichtbare Wesenheiten in der Natur stark. Auch in Indien. Die Rakshas oder Asuras sind böse Geister, die Gandharvas bevölkern die Berge und Wälder und fliegen auch. Sie treten in Kontakt mit dem Menschen und sind gewöhnlich freundlich wie die irischen Feen, die sich gerne in die Leben der Menschen einmischen. Diese haben ihre eigenen Familien und ähneln den Menschen, nur sind sie viel kleiner. Vor langer Zeit las ich die 500 Seiten von Evan-Wentz, The Fairy Faith in Celtic Countries, und ich habe das Buch nie vergessen. Alle genannten Geister sind nicht Verstorbene, die in unserer Walt auch umgehen mögen — etwa als Totenprozession in den Schweizer Alpen — oder auch hilfreich sind.

hanneswolki2Auch bei den alten Assyrern, Sumerern und Babyloniern kannte man Naturgeister, die sich angeblich in Armeen organisierten. Die guten hießen Shedu oder Lamasu, die bösen Utuku. Bei den alten Griechen wandte man sich an die Wesen, die über Flüsse, Berge und Wälder herrschten, mit dem Namen Daimonen, und der Daimon konnte manchmal ein Wächter oder Schützer sein, auch von Menschen, und in Rom wurden diese Zwischenwesen als Genien bezeichnet. Frauen hatte einen eigenen Schutzgeist, den Juno.

Die Moslems erkennen an, dass die Dschinns sich für sie interessieren und in ihr Leben gestaltend eingreifen wollen: auch sie Schutzgeister wie Daimonen und Genien. In einer Spielart des Buddhismus sind diese Wesen  stark abstrahiert, so dass fast ein Physiker etwas damit anfangen könnte, und Jeremy Hayward schildert uns diese Dralas so:

DSCN5319In den Shambhala-Lehren nennte man die Muster lebender Energie, die wir spüren und mit der wir kommunizieren können, dralas. Drala ist ein Tibetisches Wort und bedeutet transzendierende Feinde. Die Dralas sind unsere Bindeglieder zwischen der lauten, bunten, riechenden Welt, die wir spüren und anscheinend kennen und der weiten und bodenlosen Welt der formlosen Energie und des unbegrenzten Potenzials, das unsere kleine Welt hält und ernährt. Die Welt mit all ihren Grenzen und Unterscheidungen, die Welt, die wir kennen also, ist nur die Oberfläche der Realität; es ist ein ausgeklügeltes Spiel wie eine holografische Tonbildschau. … Indem wir die dralas anrufen, können wir die Energie herunterholen, die die Show antreibt und die unsichtbare Fülle hinter der Oberflächenwelt für uns nutzen. 

Die Dralas tauchen in den winzigkleinen barzakhs oder bardos des Alltags auf: Wenn ein Gedanke den anderen ablöst, wenn wir kurz unsere Orientierung verloren haben, wenn wir in Gedankenleere sind.

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