Fessenheim
Ende Februar ging ich vom Dorf hinaus und eine Anhöhe hoch, um im Rebland spazierenzugehen. Ich wendete mich Richtung Westen, und gleich hat man den Blick auf die Rheinebene bis hin zu den Vogesen, tausend Meter hoch. Die Ebene war eine gestaltlose Fläche von graubrauner Farbe, in deren Mitte sich unverwechselbar die Türme und Mauern des Atomkraftwerks Fessenheim abhoben, als gäbe es sonst nichts dort unten, wo der Rhein zwei Länder teilt, die derzeit voneinander abgeschottet sind.
Etwas rechts davor stieß die Müllverbrennungsanlage Trea fröhlich ihren Rauch in den Himmel, fröhlich, denn die qualmende Konkurrenz Fessenheim war ja schon zur Hälfte abgeschaltet. Der zweite Meiler stellt im Juni seinen Dienst ein. Als ich im Mai 2016 über das Museum Victor Schoelcher schrieb, hatte zwar der damalige Präsident die Abschaltung in Aussicht gestellt, doch dann dauerte es noch vier Jahre bis zur Realisierung.
Bleibt der Eindruck jener beherrschenden und mit Stacheldraht wohlgesicherten Burg in der Ebene, die die freundlichen Nachbarn da 1977 hingestellt hatten. Man braucht das Rheinwasser halt zur Kühlung, und die Bürger brauchen Strom für ihr bequemes Leben. Die eigenen Bürger gehen vor; was scheren mich da die Ängste derer jenseits des Flusses? Doch wie das Virus schert sich das Atom nicht um Grenzen. Dennoch: Die Schweizer bauten Leibstadt, wir Philippsburg, die Franzosen Cattenom, alles eigentlich gefährliche Riesen, doch die Gefahr nahm man angesichts des grassierenden Energiehungers in Kauf. (Bild rechts: Leibstadt, aus der Ferne.)
Die Kernspaltung ist eine brandgefährliche Technologie. Leider waren wir Deutschen da wieder vorne dran, weil wir leider zu gut sind. Otto Hahn und Lise Meitner schufen das Rüstzeug, das zur Atombombe führte, diesem Alptraum des 20. Jahrhunderts, das an Alpträumen wahrlich nicht arm war. Nicht nur das zerrüttete Erdklima gefährdet den Planeten, sondern auch die Atomwaffen in diversen Ländern tun dies, weil man nicht weiß, welche Hasardeure am Ruder sitzen und den betreffenden Knopf drücken könnten.
Die Stadt Fessenheim wird den Verlust verkraften. Man wird einen anderen Investor finden, der das Gelände nutzt. Freilich, die Anlagen wird man nicht so rasch abbauen können. Sie stehen als Monument für ein energiepolitisches Risiko, das noch einmal gutgegangen ist. Wir alle können ruhiger schlafen, und ich werde in meiner Bucht neun stehen und in die Ferne blicken, ohne die blechernen Stimmen hören zu müssen, die vom Atomkraftwerk aufsteigen und Kommandos geben.