Karl Valentin und die Atombombe

Karl Valentin hat 1946 doch tatsächlich über die Atombombe geschrieben, die am 6. August 1945 auf Hiroshima gefallen war. Am 9. August traf eine zweite Nagasaki. Die Bomben fielen aus US-amerikanischen Flugzeugen, weil Präsiden Harry S. Truman das befohlen hatte. 100.000 Menschen starben auf der Stelle, 130.000 bis Ende 1945. Dennoch wurde Truman im November 1948 für eine zweite Amtsperiode gewählt (das ist kein gutes Omen, wir denken an Trump), bevor ihn Dwight D. Eisenhower ablöste, der vom Einsatz der Bombe abgeraten hatte.

Der Text des Dialogs fand sich getippt im Nachlass (er starb am 9. Februar 1948) und wurde vom Autor noch einmal bearbeitet und mit »August — 1947« versehen. Es handelt sich um »ein tiefsinniges Gesrpäch, belauscht von Karl Valentin«, zählt sicher nicht zu seinen stärksten Beiträgen, doch die Tatsache, dass er das Thema behandelt hat, ehrt den großen Komödianten. Hier der Text, zu finden in meiner Piper-Gesamtausgabe auf Seite 222.

Die Atombombe

Fr. Huber: Na Frau Maier, was sagn jetzt Sie über die neue Atombombe?
Fr. Maier: Ja — die soll ja furchtbar sein.
Huberin: Furchtbar? Dö soll nicht nur furchtbar sein, das soll das Katastrophalste sein, was je erfunden wurde.
Maierin: So, das Katrophalste, wie ham S’gsagt?
Huberin: Das Ka-ta-stroh-stroh-fall-steh, das is schwer zum Ausdrücken.
Maierin: Was is denn eigentlich so ein Katastrophal?
Huberin: Ein Katastrophal ist eine Art Energie, und wenn die explidiert, dann gehts los, dann is dö ganze Welt hi.
Maierin: Geht dann die Atombombe los oder die Energie?, wie Sie vorhin gsagt ham.
Huberin: Na, na, der Kern geht los, net der Amtom selber.
Maierin: So, so, nur der Kern. — Wo is der?
Huberin: Der is innen drin im Amtom, genau wia bei den Zwetschgn, da is aa der Kern innen drin.
Maierin: Ja, stimmt, dös is erst kurz in der Zeitung gstandn von dieser Amtombombenkernzertrümmerung.
Huberin: Ja, ja, des is des, stellns Ihna vor, so ein Amtomkern is so klein, dass man net amoi mit dem größtn Fernrohr siecht, und wenn der Kern zertrümmert werd, entstehen daraus lauter noch kleinere Molikühle, – de san um aa Drionstel mal kleiner, als wia der winzigste Amtomkern selber.
Maierin: Ja was is dös, — da muaß aber der Arbeiter, der den winzig klona Amtomkern mit ‚m Hammer zertrümmert, no guate Augn ham.
Huberin: O mei, Frau Maier, in der Philophiserie lassn Sie hübsch zu wünschn übrig, Sie stelln eahna diese Zertrümmerung so kindisch vor! Die zertrümmert sich ja selbst, wenn die Amtombombe vom Flugzeug aus hinabwärts auf den Boden fällt.
Maierin: Wenns aber auf an woachn Boden fällt, in an sogenannten Lettn oder Batz, oder gar ins Wasser, was nacha?
Huberin: Dann aa.
Maierin: Aa nacha, wenns nass werd? Löschts da net aus?
Huberin: A woher, die Amtombombe is ja wasserdicht, de werd überhaupts net nass, bis de nass werd, gehts ja scho los, da ist die Katastrophe schon exeplodiert.
Maierin: Ja wia Sie dös alles wissn.
Huberin: Kunststück — i bin immer auf dem laufenden und noch dazu sehr belesen.
Maierin: Und was is nacha mit den kleinen Maniküren, wie Sie vorher gsagt habn.
Huberin: Maiküren? — Sie meinen die Molikühlen — dö zreißts aa.
Maierin: Einesteils könnt man sich ärgern, weils solche Sachen erfinden, aber für an gwöhnlichen Kartharr, da gibts no nix.
Huberin: Ja, ja Frau Maier, Sie dürfen auch an Kartharr net mit der Amtombombe in Einklang bringen.
Maierin: Na, na, des steht mir fern, i moan ja nur.
Huberin: Schaugns, wenn diese Amtomenergiekernzertrümmerungsmethode einmal zu nützlichen Sachen Verwendung findet, dann ist das doch ein wahrer Segen für uns und für die ganze Menschheit.
Maierin: Ja, ja, schon, aber wenn doch vor der nützlichen Verwendung die schädliche Verwendung angewandt wird, dann ist doch nach meiner Ansicht die nützliche Verwendung nicht mehr anwendbar, weil mir doch schon alle hi san.
Huberin: Na, so gfährli werds net wern. Im Krieg hats ja auch gheißn, jede Kugel trifft net, und da ists dasselbe, denn so genau als wia mit einem Gwehr oder einer Kanona könnas‘ mit der Amtombombe niemals zielen.
Maierin: Ja, i hab ja von all den neuen Erfindungen sehr wenig Kenntnisse, aber i muaß grad so staunen, dass Sie des alles so wissn, Frau Huaber.
Huberin: Mei, Frau Meier, von Ihnen kann man das auch gar nicht verlangen, und wie gsagt, bin ich sehr belesen und außerdem hat mi unser ZImmerherr, der Herr Lorenz, über vieles Technische aufgeklärt. Der Herr Lorenz is nämlich Möbelpacker bei der Speditionsfirma Fey und Falk und außerdem is er ein tüchtiger Bastler. Der hat vorige Woch einen Hasnstall gmacht aus lauter alte Kistnbrettln, entzückend, sag ich Eahna. Ja, jetzt muaß i aber geh, vor lauter Ratschn kriag i sonst koa Millli mehr.
Maierin: Ja, i muaß aa geh, aber interessant war des heit, hoch- und wissenschaftlich, Eahna is grad guat zuzhören. Frau Huber, de andern Weiber redn nur allaweil, was soll i denn heit kocha, und vielleicht kriag i doch no an Bezugschein und so weiter.
Huberin: Ja mei, Frau Meier, es gibt halt solche und Gott sei Dank andere aa. Also pfia Gott, Frau Meier.
Maierin: Pfia Gott, Frau Huber!

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