Regression
Man kann nichts tun außer abwarten. Eigenartig, dieser lähmende Zustand. Wir sind miteinander umgegangen wie immer, haben uns angelacht und gefeiert, und nun soll das alles aufhören? Mein Mitmensch wird zum potenziellen Risiko, und ich kann schuldlos schuldig werden: Das sind Motive wie aus der griechischen Tragödie. Es ist auch nichts daraus zu lernen. Dennoch sollten wir Vertrauen haben, abwarten und auf bessere Zeiten hoffen.
Larry Dossey hat einmal eine Geschichte erzählt, die gut ausging und von Vertrauen handelt. Jeremy Hayward gab sie in seinem Buch Sacred World so wieder:
Im Juli 1989 waren sechs Männer zu Fuß in der Antarktis unterwegs. Einer der Männer, Keizo Funatsu, wude in einem blind machenden Schneesturm von seinen Kameraden getrennt. Seine einzige Chance zu überleben lag darin, er wusste es, sich in den Schnee einzugraben und zu warten, bis er gefunden würde. Er grub sich ein Loch und legte sich hinein. »Ganz wenige Menschen haben diese Erfahrung gemacht, in einem Blizzard verloren zu sein«, erinnerte er sich später. »Ich sagte zu mir ›Leg dich hin und versuch, es zu genießen‹. In meiner Grube spürte ich wirklich die Antarktis. Mit dem Schnee und der Stille, die mich bedeckten, fühlte ich mich wie im Mutterleib. Ich hörte mein Herz schlagen — bumm, bumm, bumm — wie das eines kleinenSäuglings. Mein Leben schien sehr klein, verglichenmit der Antarktis.« Am nächsten Morgen hörte Keizo, wie seine Mitwanderer ihn riefen, und er stand auf, unversehrt, und rief freudig aus: »Ich lebe!«
Larry Dossey kommentierte diese Episode wie folgt:
Völlig mit Schnee zugedeckt, hatte Keizo Funatso erkannt, dass es seinen fast sicheren Tod bedeuten würde, wenn er irgendetwas täte. Er musst einfach nur sein, nicht handeln … Es gibt bestimmte Situationen, die genau das Gegenteil dessen erfordern, was der moderne Glaube empfiehlt: dass eine echte Veränderung eine große Anstrengung erfordert. … man brauchte eine Haltung des Beobachtens, des Wartens, brauchte die Stille und die Leere — man musste sein, nicht tun.
Die Weltgesundheitsorganisation gab bekannt, dass in 114 von 193 Ländern das Virus verbreitet sei — nur die Antarktis bilde eine Ausnahme. Die 4000 Forscherinnen und Forscher dort blieben bislang verschont, sie sind weit weg. Dafür haben wir kaum Schneestürme.