Selber schuld
Der Schweinebraten beim »Leichenschmaus« in Landsberg am Lech war göttlich. Auf ihn hatte ich mich auch gefreut: einen Schweinsbraten mit Knödel(n; es waren zwei) mit einer Halben Bier. Zu Hause esse ich nie Fleisch, da gibt’s Pasta oder gekochte Kartoffeln. Aber ist man in Bayern, geht es schon los: Fleisch oder Wurst jeden Tag. Da fiel mir ein, dass niemand den Fleischverzehr verteidigt. Da ich Freidenker bin und tolerant, außerdem ein Provokateur, mache ich das nun.
Heute ist alles ja derart mit Urteilen belastet, dass man gleich versenkt wird, wenn man das Falsche schreibt. Ich sage also vornweg — wie der Apostel Paulus über das Thema Männer und Ehe geschrieben hat: Wer unbedingt Fleisch essen muss, möge das tun; aber besser ist es ohne. So. Schon lässt der aggressive Tierschützer seine Keule wieder sinken.
Noch einmal zu den Mayas. Sie haben sich natürlich auch Tiere einverleibt und Schuldgefühle gehabt. (Nur Vögel ließen sie am Leben; von denen wollten sie nur die Federn.) Dann haben sie sich eine Rechtfertigung überlegt und sich eine nette Geschichte zur Entstehung der Welt ausgedacht. Die Macht, könnte man aphoristisch sagen, ist nicht nur das Vorrecht, seine schlechten Seiten auszuleben, sondern auch, sie religiös zu rechtfertigen. Aber damit behaupten wir auch, dass die Geschichte von der Entstehung der Welt vom Menschen stammt.
Enrique Florescano schreibt in seinem Beitrag La cosmogonia maya in dem Maya-Buch über die Ausstellung in Venedig 1998, in Mittelamerika habe ein Paar als Schöpfer gegolten: die Mutter der Götter und der Vater der Götter. Also war es nicht ein männliches Wesen, — was übrigens die Bibel gar nicht behauptet, sondern eine Projektion späterer Zeiten ist; auch dass Eva aus Adams Rippe entstand, steht nicht im hebräischen Urtext, wo Eva zur »anderen Seite« Adams wird.
Es gibt vier existierende Maya-Kodizes. Ein Kodex liegt in Dresden, einer in Wien, und in diesem steht: »Herr 1 Hirsch und Frau 1 Hirsch: die urweltlichen Zwillinge. Sie räucherten mit dem Kelch und verbreiteten den geernteten Tabak. Es waren die Göttliche Mutter und Vater, die die folgenden unterschiedlichen Wesen hervorbrachten.«
Die Mayas aus Guatemala legten ihre Mythen in dem Buch Popol Vuh nieder (manche kennen das Wort durch eine Deutschrockband aus den 1970-er Jahren). Darin scheitert das Schöpferpaar gleich drei Mal in seinen Bemühungen, intelligente und gleichzeitig gehorsame Wesen zu schaffen. Schon der erste Versuch ging glanzvoll daneben. Herr 1 Hirsch und Frau 1 Hirsch schufen gleich einmal die Tiere, die sich sofort mächtig vermehrten. Nun bat das Paar die Tiere, zu sprechen und den Lob ihrer Schöpfer zu singen, aber es hörte nur unartikuliertes Brüllen und Lärm, Gekreisch und Gestöhn. Also beschlossen die beiden Schöpfer, dass das Fleisch der Tiere zu verzehren sei.
Kreaturen aus Schlamm bewährten sich auch nicht; sie waren dumm und zerflossen, als sie in Kontakt mit Wasser kamen, und Menschen aus Holz waren auch nicht besser: Sie vermehrten sich und waren nicht nur dumm, sondern auch ignorant. Jedenfalls kümmerten sie sich nicht um ihre Schöpfer, die ihnen dann eine Sintflut auf den Hals schickten, in der sie gleich bis zu solchem steckten und untergingen.
Später dann gibt es im Götterhimmel wie in so vielen Schöpfungsmythen einen Aufstand. Sette Ara (Sieben Aras) plustert sich auf, stellt sich der Sonne und dem Mond gleich, und seine Kinder Zipacna und Erdbeben machten mit. Es kam dann zu gewaltigen Kämpfen, und irgendwann muss wohl auch der Mensch erschaffen worden sein, der seit viertausend Jahren versucht zu beweisen, dass dieser Versuch des Schöpferpaars nicht ein viertes Scheitern gewesen ist.