Uns aus der Seele gesprochen

Als erste Mahlzeit im Neuen Jahr verspeiste ich den Rest meiner Buchstabenpasta vom vergangenen Oktober. Damit ich weiter gut formuliere. Doch manchmal stelle ich hier Formulierungen anderer vor, damit ich nicht so viel Arbeit habe. Friedrich Nietzsche verrät uns in seinem Buch Menschliches-Allzumenschliches etwas Aus der Seele der Künstler und Schriftsteller. Das hat mich interessiert. Mit Seele ist hier Gemüt oder Wesen gemeint. Damit wären schon einmal Goethe und Nietzsche zu Wort gekommen, aber damit reicht es vorerst von der Hochkultur.     

Friedrich Nietzsche (1844−1900) war ein Meister des Aphorismus, und seine Gedanken bildete er stilistisch meisterhaft ab. Hundert Jahre vor Adornos Ästhetischer Theorie hat er schon Wesenhaftes zur Kunst und ihren Akteuren gesagt. Menschliches-Allzumenschliches mit dem Untertitel »Ein Buch für freie Geister« erschien im Mai 1878, da war Nietzsche 34 Jahre alt. Greifen wir ein paar Sätze heraus. 

»Nun muss man (…) dem Künstler selber es nachsehen, wenn er nicht in den vordersten Reihen der Aufklärung und der fortschreitenden Vermännlichung der Menschheit steht: er ist zeitlebens ein Kind oder ein Jüngling geblieben und auf dem Standpunkt zurückgehalten, auf welchem er von seinem Kunsttriebe überfallen wurde. (…) Unwillkürlich wird es zu seiner Aufgabe, die Menschheit zu verkindlichen; dies ist sein Ruhm und seine Begrenztheit.« (Notiz 147) 

»Die Kunst erhebt ihr Haupt, wo die Religionen nachlassen. Sie übernimmt eine Menge durch die Religion erzeugter Gefühle und Stimmungen …« (150)

In der Wallfahrtskirche Waal (Oberbayern)

 

»Alle Großen waren große Arbeiter, unermüdlich nicht nur im Erfinden, sondern auch im Verwerfen, Sichten, Umgestalten, Ordnen.« (155) Damit wendet sich Nietzsche gegen den Geniekult und die Auffassung, dem Künstler flöge alles so zu. Es sei Intuition, meint er: Einfall plus Erfahrung und Gefühl. 

»Die meisten Denker schreiben schlecht, weil sie uns nicht nur ihre Gedanken, sondern auch das Denken der Gedanken mitteilen.« (188) 

»Der beste Autor wird der sein, welcher sich schämt, Schriftsteller zu werden. (…) Schriftstellerei als Lebensberuf zu betrachten, sollte billigerweise als eine Art Tollheit gelten.« (192) 

 

Wieder Waal

 

»Es wird immer schlechte Schriftsteller geben müssen, denn sie entsprechen dem Geschmack der unentwickelten, unreifen Altersklassen; diese haben so gut ihr Bedürfnis wie die reifen (…). Es gibt immer viel mehr unentwickelte Intellekte mit schlechtem Geschmack. Diese begehren überdies mit der größeren Heftigkeit der Jugend nach Befriedigung ihres Bedürfnisses, und sie erzwingen sich schlechte Autoren.« (201)

 »Jeden Schriftsteller überrascht es von neuem, wie das Buch, sobald es sich von ihm gelöst hat, ein eigenes Leben für sich weiterlebt (…) Es lebt wie ein mit Geist und Seele ausgestattetes Wesen und ist doch kein Mensch.« (208) 

»Die geborenen Aristokraten des Geistes sind nicht zu eifrig; ihre Schöpfungen erscheinen und fallen an einem ruhigen Herbstabend vom Baume, ohne hastig begehrt, gefördert, durch Neues verdrängt zu werden. Das unablässige Schaffenwollen ist gemein und zeigt Eifersucht, Neid, Ehrgeiz an. Wenn man etwas ist, so braucht man eigentlich nichts zu machen – und tut doch sehr viel. Es gibt über dem ›produktiven‹ Menschen noch eine höhere Gattung.«

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