Abflug der Seele

Kürzlich habe ich den Blog von Carla Wills-Brandon in meine Blogliste  aufgenommen. Die amerikanische Therapeutin hat 13 Bücher geschrieben, darunter zuletzt Heavenly Hugs: Comfort, Support, and Hope from the Afterlife und A Glimpse of Heaven. In ihren Beitrag vom 30. Dezember hat sie eine Geschichte aus Schweden eingebaut, in der drei Ärzte zusahen, wie die Seele eines gestorbenen Patienten entwich.

Zitiert sind die Chirurgin Uta Jürgenson und der Anästhesist Jan Lundquist, die den Tod eines Patienten erleben mussten: mors in tabula, Tod auf dem OP-Tisch. Nach dem letzten Stöhnen sahen die drei Ärzte und die beteiligten Schwestern, wie ein blendender, neblig-blauer Rauch aus dem Körper emporstieg und verschwand. Davor war plötzlich ein schimmerndes Licht aufgetreten. Eine andere Erklärung, als dass die Seele den Körper verlassen hätte, fanden die Mediziner nicht. Frau Wills-Brandon hat den Bericht in ihrem Buch über die Heavenly Hugs verwendet. Sie studiert seit 30 Jahren Kontakte mit Verstorbenen und vor allem Erfahrungen am Sterbebett.

Jeff Bridges im Film „Fearless“ (1993)

Es ist ein Jammer, dass eine engstirnige, auf das bloß Physische Funktionieren fixierte Medizin solche Bericht immer als Halluzinationen abtut. Ein bahnbrechendes Werk wie das Buch At the Hour of Death von Erlendur Haraldsson und Karlis Osis, die vor 50 Jahren viele Visionen Sterbender untersuchten, ist nahezu vergessen. Wir, die wir die diesbezügliche Literatur und viele Episoden kennen, dürfen uns keinen Illusionen hingeben: Nur wenige Menschen bekümmern sich darum. Die meisten meinen: Klappe fällt, alles schwarz.  

Begleiteter Abflug: Friedhof Müllheim

Bei der Abdankung in Landsberg hat mir eine jüngere Cousine vom Tod ihrer Mutter erzählt, die ich auch kannte. Sie (meine Tante) habe entlassen werden sollen, doch dann rief am Abend eine Klinik-Schwester an und riet der Cousine, sie solle am besten gleich kommen, ihre Mutter liege im Sterben. Sie fuhr hin, und eine Stunde später tat die Sterbende ihren letzten Atemzug. Man öffnete die Fenster (das tut man immer; so kann die Seele auch leichter austreten). Nun mussten Kleider her; die Cousine fuhr mit dem Auto heim, weinend, sagte sie, doch irgendwie ungeheuer getröstet. Sie habe das Gefühl gehabt, ihre Mutter sei bei ihr im Auto, über ihr: überirdisch.  

Als sie wieder ans Bett mit der Toten kam, habe sie nichts mehr empfunden. Es war wie eine Hülle. Auch Burkhard, ein Freund, erzählte mir so etwas vom Tod seiner Schwester. Er habe ihn miterlebt, man habe die Fenster geöffnet, und bald danach habe er vor der Toten keine Empfindung mehr gehabt. Die Seele oder das pneuma, wie man zu Platos Zeiten sagte, war nicht mehr da. In vielen Kulturen heißt die Seele wie Atem oder Rauch: ruach etwa im Hebräischen.  

Neugeburt  

Es gibt auch Berichte von Zeugen, die miterlebten, wie der Astralkörper, eine verkleinerte Ausgabe des daliegenden Körpers, sich aus diesem herausquälte und dann verschwand. Auch wartende Gestalten wurden wahrgenommen, doch dazu muss der Zeuge medial begabt sein. Ich kann eine Geschichte dazu ja abdrucken, die ich für ein künftiges Buch bereits vorbereitet hatte. Sie ist sehr lang.  

Der Mediziner Riblet B. Hout wohnte in Goshen in den Vereinigten Staaten dem zwölfstündigen Todeskampf seiner Tante bei, einer 73-jährigen Frau. Der Fall, von ihm selbst berichtet, ist 1935 in der Zeitschrift Light erschienen. Der Arzt erklärt, er sei zwar kein Medium, aber ein Sensitiver. »Ich wohnte dem ganzen Prozess bei, durch den die flüchtigen Elemente des ›spirituellen Körpers‹ sich allmählich aus dem physischen Körper lösten, um sich völlig zu dem spirituellen Körper zusammenzuschließen, der langsam Form und Vitalität annahm und etwa 60 Zentimeter über jenem anderen schwebte, der sein Leben aushauchte …« 

Für die Kranke gab es keine Hoffnung mehr. Der Arzt eilte ans Krankenbett, die Angehörigen versammelten sich, und so harrte man die ganze Nacht aus. Die Sterbende lag im Koma. Plötzlich sah Doktor Hout, dass sich eine unerklärliche Substanz etwa 60 Zentimeter oberhalb der Frau abzuzeichnen begann, die einem Nebel glich, immer durchsichtiger wurde und eine längliche Form annahm. Bald wich jeder Zweifel: Diese Form begann, einem menschlichen Körper zu gleichen. Stunden vergingen, und immer mehr verdichtete sich die Ahnung zur Gewissheit: Über der Tante des Arztes bildete sich ihr spiritueller Körper aus, der ganz ruhig lag, im Gegensatz zum Körper auf dem Bett, der zuckte und sich zusammenzog. Der Puls wurde immer schwächer.  

Und seltsam: Das Gesicht des spirituellen Körpers, der zu leuchten begann, wirkte jünger und voller Lebenskraft, anders als das vom Leiden verbrauchte Gesicht der alten Frau auf dem Bett. Zum ersten Mal nimmt der Arzt wahr, dass eine perlfarbene Schnur vom Kopf der Sterbenden zur spirituellen Form oben reicht. Die Silberschnur war weiter oben einheitlich und etwa zwei Zentimeter breit, verzweigte sich aber und drang mittels zahlreicher Fäden in den Schädel der Frau. Vom Kopf gingen pulsierende Bewegungen aus, die auch den nebulösen Körper oberhalb immer stärker vibrieren, ihn immer fester werden ließen, während der physische Körper schwächer wurde. Plötzlich hört Doktor Hout mystische Gesänge, einen ganzen Chor, und mit Erstaunen sieht er die Gesichter vieler Verstorbener, die er früher gekannt hatte. 

»Unter ihnen erkannte ich meinen Onkel, also den Ehemann der Sterbenden, der sich als erster an ihre Seite begab.« Aus der Ferne sah sogar der verstorbene Sohn zu. »Drei andere Tanten, Schwestern der Sterbenden, waren gekommen, um sie in der spirituellen Welt zu empfangen Schließlich sah ich in Lebensgröße, stark und strahlend meine Mutter, die seit fünf Jahren tot war. Unsere ganze Familie war also versammelt: die lebenden Mitglieder, um dem Übergang einer lieben Angehörigen beizuwohnen; und die verstorbenen Mitglieder, um sie in spiritueller Umgebung willkommen zu heißen. Und so vereint, wachten wir die ganze Nacht und warteten auf die Todesstunde.« 

Doktor Hout sieht symbolisch rote Rosenblätter herabregnen auf das Bett der Sterbenden, als solle allen gezeigt werden, dass dieser Tod ein Neuanfang sei. Die Schwester des Arztes sah einige Lichter, und wo sie ein Licht sah, stand für den Arzt ein Geist. Gegen Morgengrauen spürt er, dass die große Stunde sich näherte. Die rhythmischen Pulsationen vom Gehirn her hatten aufgehört. Während Riblet Hout schweigend zusieht, hört er eine Stimme im Ohr: »Noch zehn Minuten Leben.« Er teilt das Gehörte den Anwesenden mit.  

Der Arzt, ganz Wissenschaftler, beobachtet Kordel und die beiden Körper mit der Uhr in der Hand. Die dünnen Fäden der Silberschnur am Kopf rissen eine nach der anderen, ein zentraler blieb; die zehn Minuten waren fast verstrichen, »ich wartete voller Angst«. Da erscheint ihm vor seinem geistigen Auge als weiteres symbolisches Bild eine Schere aus Gold. Die letzte Verbindung riss ab; der neu geborene Geist war frei! »Nun streckte sich der bäuchlings liegende spirituelle Körper, richtete sich auf, begab sich nach unten neben das Bett, blieb dort einige Zeit stehen und öffnete dann die Augen, wonach er mich anlächelte. Er grüsste, und das galt wohl allen und der Welt , von der er Abschied nahm. Dann erhob er sich und verschwand zusammen mit den Geistern, die gekommen waren, um ihn abzuholen.« (S. 162-169)

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