Der erste Tag

Hätte ich Neujahr 2012 gedacht, dass ein Jahr später … Es gibt Jahre mit einem Quantensprung und verlorene Jahre, aber der Umlauf der Erde um die Sonne ist ja nur eine von uns gewählte Einheit; wir könnten zwei Jahre zusammenfassen oder fünf oder alle wegwerfen: Wir versuchen ja immer, uns zu verwirklichen, unser Wesen in diese Welt einzubringen; das Gute wollen wir bewirken, aber es klappt nicht immer, weil dunkle Kräfte dagegen sind. Auch 2013 versuchen wir es aufs Neue.

Den vergangenen Jahreswechsel erlebten wir auf dem Zürisee mit, das Feuerwerk war unvergesslich, und dann empfing uns am Ufer ein bürgerkriegsähnliches Szenarium mit Rauchwolken, Punkmusik und torkelnden, tanzenden Menschengruppen. Aber in mir war alles ruhig. Noch ein Jahr davor hatte ein kleiner Verlag ein Buch von mir eliminiert, das fast fertig war, und mein einziger Roman war auch längst verramscht. Ich sagte mir: Dann schreibst du eben kein Buch mehr. Lerne Sprachen, bilde deine Seele, schreib ein wenig im Internet rum.  

2013: alles offen. Ein Stausee in Spanien, März 2012

Aber nun, Neujahr 2013, wird demnächst mein Radsportbuch in einer erweiterten Fassung als E-Book erscheinen, bis Ende August schreibe ich ein Buch über die Zeit und ihre Phänomene, und mein zweiter Roman steht auch in den Startlöchern, nur das Veröffentlichungsdatum fehlt. Und manipogo hat treue Leser. Was will ich mehr? Da sieht man wieder, wie gut wu-wei funktioniert, das Handeln durch Nichthandeln der Buddhisten. Man kann sich auch eine Weile ausblenden, muss aber trotzdem geistig da sein, manchmal seine Stimme ertönen lassen, weitermachen, und irgendwann rundet sich alles.  

Aber das sind alles nur Wegmarkierungen. Vor jedem neuen Werk steht man wie ein Anfänger und weiß nicht, ob man es packen wird. Wir sind alt und jung zugleich, immer im Aufbruch und dennoch immer in unserer Schleife befangen, in unserer Person, die uns kaum mehr überraschen kann. Trotzdem ist das Universum unberechenbar und unendlich vielfältig. Es gibt immer noch neue Erfahrungen zu machen. (Bild: Kletterkuh bei Hamburg, nicht in der Schweiz!)   

Meine letzte Tarot-Legung hatte für dieses Jahr die Karte »Die Liebenden« parat. Ich bin gespannt. Mein Freund Romano, der in Rom an einer Kino-Schule arbeitet, tröstete mich mit einer Metapher aus der Filmwelt: Man könne noch nicht »Ende« darunter schreiben. Von meinem Lebensfilm sind zwei Drittel gespielt, aber es bleibt noch ein schöner Rest. Ich bin ohnehin der Meister der unendlich langen, melancholischen, bittersüßen Schlüsse; alles ist ebenso ein stetiger Anfang, wie es ein ewiger Epilog ist.  

Oder ein ewiger Monolog. Aber nun Schluss mit mir, ich kündige weiter tägliche manipogo-Beiträge an und habe mich sehr über euer Dabeisein gefreut; dass ich so viele Leserinnen und Leser haben würde, hätte ich im August auch noch nicht gedacht. Es gibt immer Überraschungen. Lassen wir uns also auch von 2013 überraschen. Ich wünsche euch Alles Gute!

 

 

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