Der Käfer

Der Apfelbaum, der wundermilde Wirt, wollte ja nichts für seine Segnungen, jedenfalls kein Geld. Bei Johann Peter Hebel (1760-1826) verlangt der Engel, der den Käfer in dem gleichnamigen Gedicht mit Wein bewirtet, auch nichts … halt, nur einen kleinen Gefallen. Einen kleinen Dienst als Gegenleistung für den gestillten Durst, kein Problem. So erklärt uns Hebel, der Zeitgenosse Uhlands, die Fortpflanzung in der Welt der Wälder.

Der Käfer

DSCF4727Der Chäfer fliegt der Jilge zu,
es sizt e schönen Engel dört!
er wirthet gwis mit Blumesaft,
und ‘s chostet nit vil, hani ghört.

Der Engel seit: »Was wär der lieb?«
»Ne Schöpli Alte hätti gern!«
Der Engel seit: »Sel cha nit si,
sie hen en alle trunke fern.« –

»Se schenk e Schöpli Neuen i!« –
»Do hesch eis!« het der Engel gseit.
Der Chäfer trinkt, und ‘s schmeckt em wohl,
er fragt: »Was isch mi Schuldigkeit?«

Der Engel seit: »He, ‘s chostet nüt!
Doch richtsch mer gern e Gfallen us,
weisch was, se nimm das Blumemehl,
und tragmer’s dört ins Nochbers Hus!«

Er het zwor selber, was er brucht,
doch freut’s en, und er schickt mer au
mengmol e Hämpfeli Blumemehl,
mengmol e Tröpfli Morgetau.«

Der Chäfer seit: »Jo frili, jo!
Vergelt’s Gott, wenn de z’friede bisch.«
Druf treit er’s Mehl ins Nochbers Hus,
wo wieder so en Engel isch.

Er seit: »I chumm vom Nochber her,
Gott grüeß di, und er schickt der do,
au Blumemehl!« Der Engel seit:
»De hättsch nit chönne juster cho.«

Er ladet ab; der Engel schenkt
e Schöpli gute Neuen i.
Er seit: »Do trink eis, wenn de magsch!«
Der Chäfer seit: »Sel cha scho si!«

Druf fliegt er zu sim Schätzli heim,
‘s wohnt in der nöchste Haselhurst.
Es balgt und seit: »Wo blibsch so lang?«
Er seit: »Was chani für mi Durst?«

Jez luegt er’s a, und nimmt’s in Arm,
er chüßt’s, und isch bym Schätzli froh.
Druf leit er si ins Totebett,
und seit zum Schätzli: »Chumm bald no!«

Gell, Sepli, ‘s dunkt di ordeli!
De hesch au so ne lustig Bluet.
Je, so ne Lebe, liebe Fründ,
es isch wohl für e Tierli guet.

 

Alles verstanden? Alemannisch ist nicht schwer. Rührend ist der vorletzte Vers. Ein Käferleben ist kurz, mag ihm jedoch so lang vorkommen wie uns das unsrige.

 

Andere Hebel-Gedichte:
Die Vergänglichkeit
Das Hexlein
Z’Friburg in der Stadt

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