Mit Goethe ins Jahr

Gerade war Italien dran, und jetzt gehen wir noch mit Johann Wolfgang Goethe ins Jahr. Ich blätterte kürzlich in seinen Gedichten, und er hat ja einige witzige Epigramme zu bieten, und Italien – das Land, in dem die Zitronen blüh’n — lag ihm auch am Herzen. Darum als erstes eins der Venetianischen Epigramme, geschrieben im Frühling und Sommer 1790, als er in Venedig Herzogin Anna Amalia abholen musste und sich dort ein wenig langweilte.

Das folgende Epigramm 4 ist kein Meisterwerk, und »Deutsche Redlichkeit« und »Zucht und Ordnung« lesen wir aus der Feder des Meisters nicht so gern. Aber er wird sich wohl geärgert haben, und wer kennt das nicht, der in Italien lebte? Doch das mit den Meistern des Staats, die immer für sich selber sorgen, ist treffend. War anscheinend schon vor 220 Jahren so.

4.
Das ist Italien, das ich verließ. Noch stäuben die Wege,
Noch ist der Fremde geprellt, stell’ er sich, wie er auch will.
Deutsche Redlichkeit suchst du in allen Winkeln vergebens;
Leben und Weben ist hier, aber nicht Ordnung und Zucht;
Jeder sorgt nur für sich, misstrauet dem andern, ist eitel,
Und die Meister des Staats sorgen nur wieder für sich.
Schön ist das Land! doch ach, Faustinen find’ ich nicht wieder.
Das ist Italien nicht mehr, das ich mit Schmerzen verließ.

Manchmal übefällt ihn Melancholie.   

An …
Ja, ich liebte dich einst, dich, wie ich keine noch liebte,
Aber wir fanden uns nicht, finden uns ewig nicht mehr. 

Und es kommen ihm erotische Bilder vor Augen. Auch Goethe irrte; heißt es nicht das Mädchen, wo er sie schreibt? Doch schon Mark Twain konnte nicht begreifen, warum im Deutschen eine Rübe weiblich sei, doch das Mädchen sächlich.   

39.
Arm und kleiderlos war, als ich sie geworben, das Mädchen.
Damals gefiel sie mir nackt, wie sie mir jetzt noch gefällt.

Und Goethe ärgert sich, weit weg vom Vaterland, über seine Kollegen. Kann man ihm gut nachfühlen. 

15.
Sämtliche Künste lernt und treibet der Deutsche, zu jeder
Zeigt er ein schönes Talent, wenn er sie ernstlich ergreift.
Eine Kunst nur treibt er, und will sie nicht kennen, die Dichtkunst.
Darum pfuscht er auch so; Freunde, wir haben’s erlebt!

 Mit Gedichten war es wohl damals schon schwierig. Goethe rät, einen Skandal zu entfachen und sich nicht zurückzuhalten. 

Aufmunterung
Deutschland fragt nach Gedichten nicht viel, ihr kleinen Gesellen,
Lärmt, bis jeglicher sich wundernd ans Fenster begibt.

In Epigrammen aus dem Nachlass reitet er weiter darauf herum. Einer, den er nicht leiden konnte, war der polemische Aufklärer Friedrich Nicolai (1733−1811). Das folgende Epigramm wollte er nicht veröffentlichen, es stand in Goethes Nachlass.   

[Nicolai auf Reisen]
Schreiben wollt’ er, und leer war der Kopf, da besah er sich Deutschland;
Leer kam der Kopf zurück, aber das Buch war gefüllt. 

Über einen Poeten:

Überall bist du Poet, im Gespräch, in Geschäften, am Spieltisch,
Nur in der Poesie bist du nicht immer Poet.

Und über andere Poeten: 

Hängen auch alle Schmierer und Reimer sich an dich, sie ziehen Dich nicht hinunter, doch du ziehst sie auch schwerlich hinauf.

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.