Roms Traum vom Weltreich

Ein Artkel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über den Fußballklub AS Rom erregte meine Aufmerksamkeit und regte mich auf: beste Bedingungen für einen schnellen, dennoch grundsätzlichen Beitrag über Italien und den Fußball, der im Alltag dort eine große Rolle einnimmt. Nur in Spanien − so mein Eindruck vom vergangenen März− ist der Fußball noch wichtiger.  

Ich war ja Mitte/Ende Oktober in Rom gewesen, als Gast von Romano und Lucia, und da sah ich in einer Woche mehr Fußballspiele als sonst im ganzen Jahr: drei, wenn ich mich nicht irre. Romano ist (natürlich) ein alter »Romanista«, also Tifoso (Anhänger) der AS Roma (vermutlich Associazione sportiva), also genossen wir von Sky auf großem Bildschirm die Partie Genua−Rom, und vorher war es Lazio−Milan, denn Sohn Davide ist Tifoso vom AC Mailand, also »Milanista«, ein herber Schlag für den Vater, den er aber schon längst verarbeitet hat. Dann gab es noch eine Champions-League-Partie.   

Romano Puglisi, der Romanista

 

Gerade haben wir eine kleine Winter-Pause, aber bald schon geht es wieder los mit den Spielen. Fußball ist unser Leben und deckt uns mit immer neuen Partien ein, und an Silvester fragte ich aus einer Eingebung heraus meine Schwester: »Weißt du eigentlich, was das alles soll?« Sie wusste es auch nicht. Sie ermitteln immer Meister und Pokalsieger und Absteiger und Verlierer, nächstes Jahr und in den Jahren danach geht es weiter, und das ist ein Rad, das sich ewig weiterdrehen wird. Das ist wie Fernsehen: sinnlose Dynamik ohne Entwicklung, ohne geistige Inhalte.  

Roma jedenfalls hat sich einen deutschen Marketingspezialisten und einen deutschen Designer geholt, verkündete die FAZ mit unverhohlenem Patriotismus, und diese Leute wollen die Römer aus ihrer angeblichen Provinzialität herausholen. »Wir wollen den Namen des Vereins in die Welt tragen und eine globale Marke werden«, wird der Marketingmann zitiert. Alle wollen reich und berühmt werden, und natürlich mittels der drei Zauberwörter Twitter, Youtube und Facebook. 24 Stunden sendet das Vereinsfernsehen am Tag. Du meine Güte: was denn? Was Francesco Totti gefrühstückt hat?  

Ein neues Stadion soll auch gebaut werden. Darüber reden wir in zehn Jahren wieder. Die Spieler sollen in Asien und Amerika herumgezeigt werden, und da stehen sie dann herum und staunen, die jungen Leute, die vermutlich nicht viel Englisch können. Disneyland ist der Sponsor. Das passt ja gut zum Fußball. Vermutlich müssen die Spieler vom AS Rom sich bald als Gladiatoren verkleiden. Überhaupt redet keiner von der sportlichen Performance, ohne die alles in sich zusammenfallen wird.  

Das relativ neue Stadion von St. Gallen

 

Dieser Modernitäts-Hype lässt sich gut gegen die veralteten Strukturen und den Filz im italienischen Fußball stellen. Italien bewundert die Deutschen und will immer mal alles umstülpen. Etwas Neues will man! Nur weh tun soll es nicht, es soll eigentlich nur eine Variante des Alten sein, Hauptsache, man wird dafür bewundert.

Was ist Fußball denn? Fußball ist ein schönes Spiel, die Vereine sind lokal verwurzelt und haben treue Freunde, die Mannschaft ist für viele Menschen der Ewigen Stadt eine Identifikationsgestalt, aber was soll jemand in Singapur oder San Francisco mit der AS Roma anfangen? Zuerst sollte man sich überlegen, was die Seele des Vereins ist. Wofür machen wir das alles? Etwa um eine globale Marke zu werden? Das war Rom schon einmal — mit seinem Weltreich, bis vor zirka 1600 Jahren. Ob eine Handvoll unbedarfter Kicker diesen Erfolg wiederholen können wird? Wir dürfen gespannt sein.                  

 

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