Positive Beispiele

Am Ende des Jahres will manipogo positiv sein, wenngleich das Adjektiv seit diesem Jahr etwas angegriffen ist. Wir haben ja gesagt, Hoffnung sei nötig. Blicken wir zurück in jene schauerliche Epoche von 1942 bis 1944, als die Nationalsozialisten Juden zu Hunderttausenden deportierten. Ich will nicht dauernd darauf herumreiten, doch da ich mich wochenlang wieder damit befasst hatte, geht es mir nicht aus dem Sinn. Es gab dabei tatsächlich mutige Männer und Frauen und Rettungsaktionen, und an denen halten wir uns fest.

Das Königreich Dänemark wurde von Deutchland ohne Widerstand besetzt. Die Bürokraten konnte, schreibt Raul Hilberg zynisch, natürlich nicht zulassen, dass in dem Land 6000 Juden frei umherliefen. Die Deutschen machten also Pläne für eine große Deportation im Frühherbst 1943. Die dänische Regierung aber blieb unkooperativ, und die Bevölkerung wollte ihre Juden retten. Es wurde protestiert, es wurde hinter den Kulissen gearbeitet. Die Deutschen durchkämmten Kopenhagen, konnten aber nur 477 Juden nach Theresienstadt schicken. Mittlerweile hatte der schwedische König angeboten, Juden aufzunehmen. Sie würden Asyl erhalten. Hilberg:

Diese Zusage war das Signal für eine der ungewöhnlichsten Rettungsaktionen der Geschichte. Die Organisatoren des Unternehmens waren Privatleute, die sich für die Aufgabe spontan zur Verfügung stellten: Ärzte, Lehrer, Studenten, Geschäftsleute, Taxifahrer und Hausfrauen. … Um nach Schweden zu gelangen, mussten die Juden den Sund überqueren, eine 10-20 Kilometer breite Meerenge. Die Organisatoren mussten die dänische Fischereiflotte mobilisieren, um die Juden ans gegenüberliegende Ufer zu schaffen; sie mussten dafür sorgen, dass die Fischer bezahlt wurden; sie mussten sicherstellen, dass die Juden unbemerkt zu den Stränden gebracht und sicher auf die Kutter verladen wurden.

Spenden flossen reichlich. Die Aktion Anfang Oktober 1943 gelang. 7000 Juden erreichten Schweden und überlebten.

Auch die italienische Regierung stellte sich stur, wenn es um die Judenvernichtung ging. Das Volk leistete gleichfalls passiven Widerstand, den ganzen Krieg hindurch. Freilich war Italien bis Februar 1943 verbündeter Staat, und als der Pakt mit den Deutschen nicht mehr galt, schwangen sich diese zu Kolonialherren auf und setzten auch harte Maßnahmen durch. Im Oktober 1943 sollten 8000 Juden aus Rom deportiert werden, praktisch unter den Augen von Papst Pius XII., von dem wenig dazu zu hören war. Römer halfen ihnen, viele konnten untertauchen, und nur 1008 Menschen konnten nach Auschwitz gebracht werden. Bei Kriegsende waren von den 43.000 italienischen Juden 7.500 deportiert, und 800 kamen zurück.

Bulgarien war auf der Seite Deutschlands, doch die Juden waren integriert. Sie hatten 500 Jahre türkische Besatzung mit erduldet und gehörten dazu. Als Deportationen drohten, gab es Poteste in der Stadt Kjustendil, und am Feiertag für die Heiligen Kyrill und Method marschierten 10.000 Menschen unter Führung von Betty Danon zum Zaren-Palast und forderten Unversehrtheit für ihre jüdischen Mitbürger. Es gab Demonstrationen vor dem Parlament, und die orthodoxe Kirche Bulgariens protestierte scharf. Der Zar verordnete also Zwangsarbeit für die 25.000 Juden Sofias, die ins Umland gebracht wurden. So wurden die insgesamt 50.000 Juden Altbulgariens gerettet. Leider wurden 11.000 in Thrakien und Makedonien abtransportiert.

Ein Metropolit (Würenträger der Kirche) stellte ich sogar vor einen Waggon und sagte, sie müssten ihn schon mitnehmen, damit er mit ihnen beten könne. Das hätte Vertetern der katholischen Kirche gut angestanden, aber selten hat man von einer derartigen Aktion gehört, doch zum Glück gab es  Dietrich Bonhoeffer und Maximilian Kolbe … und auch Bernhard Lichtenberg, über den Hilberg schreibt:

Am Vorabend der Deportationen nahm sich ein 66 Jahre alter katholischer Priester, Dompropst Bernhard Lichtenberg, von der Hedwigskirche zu Berlin, den Mut, öffentlich für die Juden zu beten, wobei er nicht nur die getauften, sondern die ungetauften Juden in sein Gebet einschloss. … In seiner Haft verlangte der Dompropst, mit den Juden in den Osten gebracht zu werden, um dort für sie beten zu können.

Lichtenberg erhielt zwei Jahre Gefängnis und starb nach der Entlassung Ende Oktober 1943, als er gleich wieder nach Dachau verschleppt werden sollte.

Hätte die katholische Kirche massiv gegen die Deportationen protestiert, dann hätte sie die Nationalsozialisten unter Druck setzen können. Warum geschah das nicht? Jesus war doch auch Jude! Papst Pius XII. brachte in seiner Weihnachtsbotschaft Ende 1942 nur den Satz unter, »Hunderttausende« seien ohne eigenes Verschulden und »manchmal nur aufgrund ihrer Nationalität und Rasse« »zum Tode oder einem langsamen Dahinsiechen verurteilt«. Der US-Botschafter beim Vatikan brachte die »Unverbindlichkeit« des Passus beim Heiligen Vater selbst zur Sprache. Pius XII. entgegnete, er habe sich »klar genug ausgedrückt«. Doch wer über die Nationalsozialisten spreche, müsse auch über die Bolschewiken sprechen. Der Kommunistenhass bei der Kirche war groß. Die Russen waren der erste Feind. Die Juden interessierten nicht.

 

 

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