Bikini

Ein Fundstück aus meinem Manuskript Geister und Schiffe: Der erste zweiteilige Bikini wurde am 5. Juli 1946 von Micheline Bernardini in Paris vorgeführt. Sein Erfinder Louis Réard nannte ihn eine »an-atomische Bombe«, denn wenige Tage vorher war im Bikini-Atoll im Pazifik eine erste US-Atombombe als Test gezündet worden. Sie hieß »Able«. 12 Jahre war nach 22 weiteren Bomben die Test-Serie zu Ende; und das Atoll auch.

service-pnp-ds-02900-02944rIn seinem Buch Ghost Fleet schreibt James P. Delgado über die zerstörten Schiffe und die kaputte Umwelt von Bikini. — Eine erste Atombombe ging am am 16. Juli 1945 los, die zweite zerstörte Anfang August Hiroshima, die dritte Nagasaki, die vierte namens Able ging am 1. Juli 1946 hoch und die fünfte als »Baker« am 25. Juli des Jahres, beide im Bikini-Atoll. Danach zündete man am 28. Februar 1954 »Bravo« mit der Gewalt von tausend Hiroshima-Bomben und noch ein paar weitere bis Enmde 1958. 1986 besaßen die Vereinigten Staaten 60.000 nukleare Sprengköpfe von 71 Arten für 116 verschiedene Waffen.

Das Bikini-Atoll hat genauso viele Inseln, wie Bomben auf es fielen: 23. Er wurde unbewohnbar dadurch. Die ursprünglich 167 Einwohner wurden auf eine andere Insel gebracht, 1968 wieder angesiedelt, wegen zu hoher Radioaktivität 1978 erneut umgesiedelt. 2011 hieß es, sie dürften zurückkehren. Die Bikinianer sollten eine Milliarde US-Dollar an Entschädigung bekommen. Sollten.

Die Operation wurde »Crossroads« getauft. Die Militärmacht USA schleppte 92 Schiffe herbei, um den Effekt von Atombomben auf sie zu studieren. Am Ende war ein Museum für das Atomzeitalter auf dem Meeresgrund entstanden, eine Geisterflotte zerborstener Schiffe. Nur neun der 92 Schiffe entgingen der Zerstörung oder der Verstrahlung. Die beschädigten wurden entweder richtig dekontaminiert oder in tieferem Wasser versenkt.

5000 Ratten, 204 Ziegen, 200 Mäuse und 60 Schweine wurden nach Bikini verschifft. Was sich zeigte, war: Die Zerstörung an den Schiffen war nicht so total, wie man es sich erhofft hatte, aber die Strahlung übertraf alles Befürchtete. Auf einem Bild schrubben lächelnde Soldaten Decks mit Wasser und Lysol, um sie zu »dekontaminieren«. So wenig wusste man. So arglos war man.

service-pnp-ds-02900-02956rAm  besten zeige das Schlachtschiff »USS Arkansas« die Kräfte der Bombe, meint Delgado. Es lag nur 150 Meter vom »Zeropoint« entfernt und war das erste Schiff, das von einer Atombombe versenkt worden war. »Das Schlachtschiff war unkenntlich geworden«, schrieb der Autor, der bei einem zwei Jahre dauernden Projekt zu den gesunkenen Schiffen tauchte. Die arme »Arkie« liege mit dem Boden nach oben und gleiche nicht mehr einem Schiff. Der Bug war abgerissen.

Am 31. Mai 1946 kam der gigantische Flugzeugträger »Saratoga«, 1920 gebaut, nach Bikini, und weniger als 90 Tage später war er tot. Es sieht aus, als habe ein Riese das Flugdeck (von dem die Flugzeuge starteten) eingetreten, schildern Taucher. Delgado schrieb, das Schiff liege in 50 Metern Tiefe, und das besagte Flugdeck habe 12 Meter über ihm in den Dämmer geragt. So hoch wie ein zweistöckiges Mietshaus.

Die deutsche »Prinz Eugen« liegt auf dem Kopf, in einem 40-Grad-Winkel, und die Wassertiefe beträgt von zehn bis 40 Meter. Der Bug ragt aus dem Wasser. Der Boden des Ungetüms ist stark verrostet. 1990 wurde bekannt, dass das Wrack langsam in sich zusammenfalle. Die Prinz Eugen dominiert sichtbar vor Enebuj deren Küstenlinie. Sie sei »ein sichtbarer Grabstein für die anderen Schiffe, die im tiefen Ozean versenkt wurden«, meint Delgado, und die man wohl nie aufsuchen werde.

Er schilderte: »Bikini ist ein Land der Geister.« Die leeren Hüllen von Häusern, die die US-Regierung für die zurückkehrenden Bikinianer errichten hatten lassen, seien voll mit durchweichten Holzfaserplatten. (Ihre Rückkehr wurde abgeblasen; die Radioaktivität war zu hoch, man musste den ganzen Boden abtragen.) Geckos wanderten über die weißen Wände, und Bänke verrotten auf Veranden, die von Vegetation überwuchert seien. »Es ist ein schönes Land ohne Menschen«, schrieb James P. Delgado 1996. Vielleicht leben heute wieder welche dort.

 

Bilder von zwei Atompilzen aus dem Juli 1946, entweder Able oder Baker: Dank an Library of Congress, Wash. D. C. 

 

 

 

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.