Verwirrte Geister

Ein großer Teil der Psychiatriepatienten hält der Außenwelt nicht stand. Sie sind nicht per se verrückt, sondern wurden dazu gemacht. Ein kleiner Teil könnte von jenseitigen Geistwesen besessen sein; diese Hypothese wird zuweilen geäußert, aber niemand nimmt sie ernst. Hier jedoch ein Beitrag über verwirrte Geister.

Die Geisterwelt würde diese Wesen vielleicht für verrückt halten, weil sie sich nicht geistkonform verhalten. Sie wissen nicht, dass sie gestorben sind und vagabundieren einfach herum. Von Rettungszirkeln für diese Geister war schon die Rede. 1905 fing in Chicago der schwedische Psychiater Carl Wickland (1861‑1945) damit an. Sein Buch Thirty Years Among the Dead (Dreißig Jahre unter den Toten) erschien 1924 und ist ein Klassiker geworden.

Wicklands Frau war ein begabtes Medium, ging in Trance und gestattete Verstorbenen, in ihren Körper einzutreten und sie diesen »besitzen« zu lassen (daher kommt die Besessenheit). Sie bekam nichts davon mit, was in ihrer Anwesenheit geschah. Nach ihrem Tod 1937 fand Carl Wickland keine Nachfolgerin mehr für sie. Der Geist hatte also für kurze Zeit einen Körper, den er bewegen und Stimmorgane, durch die er sprechen konnte. Wickland überzeugte die »Spirits« immer davon, sie seien gestorben und bedrängte sie, sie sollten beten, damit ihr Engel sich melde. Wenn der Geist sich überzeugen ließ und tatsächlich in Richtung des Lichts ging, sagte dieser zum Abschluss noch: »Ich danke euch allen. Ich gehe. Goodbye.«

Manchmal war eine Patientin besessen, und der sie quälende Geist wollte seine »Wirtin« durchaus nicht wechseln und etwa zu Mrs Wickland überlaufen; also musste der Psychiater über die Patientin mit dem Parasiten verhandeln. Im Jenseits hatte das Ehepaar »The Mercy Band of Spirits« (schöner Name! sowas hätte man selber gern), die »Gnädige Geistertruppe«, die, wie Wickland schrieb,

die Tatsache vor die Welt bringen möchte, dass es keinen Tod gibt, und viele Jahre haben wir mit ihr zusammengearbeitet und Geistern geholfen, die sich in Sorge und Dunkelheit befanden.

Er fragte erst, woran sich das Geistwesen erinnere; welches Jahr wir schrieben. Durch beharrliches Befragen kam das verwirrte Wesen zu Bewusstsein, beruhigte sich und warf seine Blindheit ab. »Da ist ja mein Kindchen!« rief Geist Emily Julia Steve aus. »Ich glaube, ich verliere den Verstand! … Hugo, mein Mann .., alle kommen auf mich zu! Hugo, mein Mann, bist Du es wirklich?« Die Sitzung endete mit einem Segen aus der Geisterwelt.

Bedauerlich nur, dass Carl Wickland keinen Wert darauf legte, die Angaben aus der spirituellen Welt zu überprüfen. Der schwedische Psychiater warf dennoch auf überzeugende Weise die Frage auf, ob viele Geisteskranke nicht vielleicht von jenseitigen Entitäten besessen sind, die man überreden und wegjagen kann. Er selber zeigte sich dabei nicht gerade zimperlich. Wenn er auf unkooperative Geistwesen stieß, alarmierte er jenseitige Helfer, die das Wesen außerhalb der Aura des Mediums in einen virtuellen »Kerker« steckten, bis die bornierte Seele verschwand. Wickland setzte, um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, ein Gerät ein, das dem Geist einen leichten elektrischen Schlag verpasste.

Das bedeutet eigentlich, dass der Psychiater seine eigene Frau oder eine besessene Patientin quälte, die das nicht richtig mitbekamen. Der Geist sehr wohl. »Manchmal ist es«, schilderte Geist Carrie Huntington, »als ob etwas auf mich losschlüge, dass mir die Sinne vergehen. Es kommt dann über mich wie Donner und Blitz. … Ich kann das nicht länger ertragen und will es auch nicht mehr!«

Das englische Medium Gaye Muir schrieb 1995, man könnte in diesen Fällen von einer »Verletzung der Geisterrechte« sprechen und denkt an die  traurige Tatsache, dass ein Jahr nach Wicklands letzter Sitzung, 1938, ein Portugiese den Elektroschock erfand, mit dem Millionen Patienten in der Psychiatrie weltweit gequält wurden.

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Doktor, Tod und Teufel
Moralische Behandlung
Manicomio, Rom (3)

 

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