Rückkehr ins Leben (4): Bei Schiller und Brecht

Der Geschichten um glücklich gerettete Verurteilte, denen der Tod drohte, ist kein Ende. Meine Serie verlängert sich also von selbst. Hier zwei Anekdoten aus dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), die mir auffielen; aber jetzt reicht es mit den Schrecken des Krieges!

Die erste ist aus dem erwähnten Buch von Friedrich Schiller. Wallenstein war ein gefürchteter, aber auch geachteter Feldherr, Über ihn hat Schiller ja ein Theaterstück geschrieben und erwähnt: »Furcht war der Talisman, durch den er wirkte; ausschweifend im Strafen wie im Belohnen, wusste er den Eifer seiner Untergebenen in immerwährender Spannung zu erhalten …« Schiller:

Die Räubereien der Soldaten im Freundesland hatten geschärfte Verordnungen gegen die Marodeure veranlasst, und der Strang war jedem gedroht, den man auf einem Diebstahl betreten würde. Da geschah es, dass Wallenstein selbst einem Soldaten auf dem Felde begegnete, den er ununtersucht als einen Übertreter des Gesetzes ergreifen ließ, und mit dem gewöhnlichen Donnerwort, gegen welches keine Einwendung stattfand: »Lass die Bestie hängen«, zum Galgen verdammte. Der Soldat beteuert und beweist seine Unschuld ― aber die unwiderrufliche Sentenz ist heraus. »So hänge man dich unschuldig«, sagte der Unmenschliche; »desto gewisser wird der Schuldige zittern.« Schon macht man die Anstalten, diesen Befehl zu vollziehen, als der Soldat, der sich ohne Rettung verloren sieht, den verzweifelten Entschluss fasst, nicht ohne Rache zu sterben. Wütend fällt er seinen Richter an, wird aber, ehe er den Vorsatz ausführen kann, von der überlegenen Anzahl entwaffnet. »Jetzt lasst ihn laufen«, sagte der Herzog. »Es wird Schrecken genug erregen.«

Die zweite steht am Schluss (Kapitel 28) des Buches Die Landstreicherin Courage von Grimmelshausen (1680), wodurch Brecht wohl zu seiner Mutter Courage und ihre Kinder inspiriert wurde. Die Courage, die ihr Leben selbst erzählt, landet nach mehreren Ehen und den Wechselfällen des Krieges bei den Zigeunern, wie man damals noch schrieb, und sie gibt zu, man habe sich durch Betrügereien ernährt. Einmal kamen sie in Lothringen in eine Dorf, in dem Kirchweih gefeiert wurde und es nach Gebratenem roch. Da spielten sie eine Komödie:

Der Mann der Courage gab sich als Obristen-Leutnant mit Gefolge aus, ein junger Mann erschoss (wie geplant) eine Henne, und der Soldat verurteilte ihn zum Tod durch den Strang. Ein Zigeuner mimte den Henker, ein junges Mädchen die Frau des Verurteilten die jammernd auftauchte. Der Leutnant ließ den jungen Mann in den Wald schleppen, das Mädchen schrie, alle Dorfbewohner hatten sich versammelt und baten um Gnade, die der Leutnant schließlich gewährte. Während jedoch die Dorfbewohner im Wald zusahen, plünderten die Zigeunerfrauen in den Küchen alles Essbare, und irgendwo traf die ganze Gesellschaft wieder zusammen, die so schön Theater gespielt hatte.

Niemand war getötet worden, aber ein paar Wandersleute wurden satt. Man muss über diesen Einfallsreichtum schmunzeln. Eine solche Performance passt gut zum 17. Jahrhundert des trompe-l’oeil und der Intrigen und anderer Schurkereien.

Die früheren Beiträge zum Thema Davongekommen:
Von der Schippe
Wer will ihn?

 

 

 

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