Vorbild und Ereignis
Kontingenz zeichnet nach Meinung von Philosophen die Zukunft aus: Sie ist unvorhersehbar und unbestimmt. So weit, so banal. Dass der Mensch bisweilen Szenen aus der Zukunft wahrnimmt, mag die Ausnahme sein und ein seltenes Phänomen, das Präkognition heißt, und es lohnt sich, mehr darüber nachzudenken.
Auch der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker hat das getan und die Blicke in die Zukunft für möglich gehalten. Er nannte das zeitüberbrückende Wahrnehmbarkeit. Sie stellt uns die Faktizität der Zukunft dar; vorher hatte er gesagt, von der Vergangenheit gebe es Dokumente, von der Zukunft nicht. Noch nicht. Weizsäcker meint:
Die »Faktizität« der Zukunft aber macht hypothetisch klar, dass die Zukunft vielleicht in gewisser Weise schon da ist.
Taniguchi Masahara meint in seinem Buch Leben aus dem Geiste:
Medien und Hellseher können nichts wahrnehmen, das nicht irgendwie bereits existent ist. … Und da der Hellseher künftige Ereignisse in der physischen Welt voraussieht, müssen sie schon irgendwo als Realität vorhanden sein. Dieses Irgendwo kann nicht die physische Welt sein, sondern nur die metaphysische oder geistige Welt. Viele Beobachtungen und Erfahrungen der vergangenen Jahre lassen uns zu dem Ergebnis kommen, dass alle Ereignisse in der physischen Welt in der geistigen Welt vorgebildet werden, also dort ihren Ursprung haben und dann … in Erscheinung treten.
Carl Friedrich von Weizsäcker hielt es für möglich (in: Aufbau der Physik), dass
die Wirklichkeit ein nichträumlicher individueller Prozess ist, den wir mit den uns geläufigen Worten als geistig zu beschreiben haben. Es ist eine alte Tradition, dass unser persönliches Bewusstsein nur eine Erscheinungsweise eines umfassenden Geistes ist.
Wir sind Gottes Kinder (was uns auch Taniguchi einschärft) und ragen hinein in die andere Welt (die so anders nicht ist), und in Träumen halten wir uns oft in jener geistigen Welt auf. Von dorther nehmen wir anscheinend Bilder mit, da es heißt, dass fast 50 Prozent der Träume in der Zukunft angesiedelt sind. Das klingt schlüssig und hat den Vorteil, dass wir das umstrittene Konzept der Zeit nicht bemühen müssen.
Treffen die Träume oder Visionen immer ein? Taniguchi:
Wäre demnach das, was in der geistigen Welt vorausgebildet wird, sozusagen endgültig und in seiner Auswirkung unabänderlich? Keineswegs. Alle Vorgänge in der geistigen Welt werden in jedem Augenblick gebildet und gewandelt entsprechend den Einwirkungen seitens zahlreicher Wesen und Bedingungen im ganzen All.
Ein Heilpraktiker beschäftigte sich einmal mit geistiger Heilung, die in der Zeit rückwärts gehe: Dann könne man ein Übel bei der Entstehung erkennen und es abmildern. Andere künftigen Katastrophen waren nicht mehr zu verhindern, sie waren schon zu sehr konkretisiert. Manche Visionen oder Träume drücken nur unsere Ängste aus. Echte Präkognition wird man als solche erkennen.
Illustrationen: aus dem Elektrizitäts-Museum Mulhouse