Die Nacht von Lissabon
Parallel zu Das Versprechen las ich Die Nacht von Lissabon, einen Roman von Erich Maria Remarque (1898-1970), der vier Jahre nach dem Dürrenmatt-Buch erschien, 1962. Es sind anstrengende Bücher, zwar meisterhaft geschrieben, aber einem düsteren Ende zustrebend. Vielleicht schaffe ich es in diesem Fall, nur ein paar Passagen hinzulegen, die mich angesprochen haben.
Der Erzähler irrt durch Lissabon und möchte weg, hat aber für sich und seine Frau kein Schiffsticket. Da trifft er Herrn Schwarz (Name falsch), der ihm die seinen schenken möchte, wenn er die Nacht über ihm zuhört. Wie im Versprechen wird die Geschichte also erzählt. Ruth wartet in einem Zimmer, während Schwarz seine Liebesgeschichte mit Helen Revue passieren lässt, die tot in Lissabon liegt, weshalb er keine Tickets mehr braucht.
Remarque ist ein großer Stilist und zaubert immer wieder filmische Szenerien einem vors geistige Auge, muffige Zimmer und leere Schlösser, in denen die Liebenden in den wenigen Monaten, die ihnen bleiben (Helen ist todkrank), die Erfüllung ihrer Liebe erleben. Mehr ist nicht möglich. Ein großes Thema, bei dem man dem Autor viele hochtönende Schilderungen nachsieht. Und so gleitet der Roman in einem Zwielicht zwischen Tod und Leben dahin, was im letzten Zitat unnachahmlich in ein Bild gefasst ist.
Ich war sehr still, und mein Selbst war ausgelöscht von Liebe.
Sie lehnte sich an mich. Ich ließ das nasse Tuch fallen und gab ihr ihren Bademantel. »Glaubst du, dass wir mehrere Male leben?«
»Ja«, erwiderte ich ohne Zögern.
»Ich liebe dich«, sagte sie verzweifelt. »Ich liebe dich mehr, als du jemals wissen kannst. Vergiss das nicht! Nie!
»Wir sind Tote«, flüsterte Helen. »Beide. Wir haben keine Gesetze mehr. Du bist tot, mit einem toten Pass, und ich bin heute im Krankenhaus gestorben. Sieh unsere Kleider an! Wie bunte und goldene Fledermäuse huschen wir in einem gestorbenen Jahrhundert umher.«
Wir fuhren weiter. Es war ein sonderbarer Tag. Das Diesseits und das Jenseits schienen abgefallen zu sein in zwei Abgründe, und wir fuhren auf einem schmalen Grat in einer hohen, wolkenverhangenen Landschaft wie in der Kabine einer Seilbahn. Das nächste, womit ich es vergleichen könnte, wäre eines der alten chinesischen Tuschbilder, in denen Reisende zwischen Gipfeln, Wolken und Wasserfällen eintönig dahinziehen.
Illustrationen: aus Lissabon, 1907 von H. C. White. Dank an Library of Congress, Wash. D.C.