Die Helfer (7): Der Einhandsegler

Genau ein Jahr nach dem Beginn einer Mini-Serie über geisterhafte Helfer auf hoher See geht es weiter. Ich hatte seinerzeit (2020) erwähnt, dass ich fünf Jahre (1986-91) in Hamburg gelebt hatte; nun habe ich soeben fünf Tage in der Hansestadt verlebt. (Bilder bald.) Vor einem Jahr fing es mit dem Einhandsegler Joshua Slocum an, der von 1895 bis 1898 unterwegs war, und nun folgt ihm Bob Fowler, der 1978 etwas erlebte …

service-pnp-ggbain-30700-30772rAm 10. Juni 1978 fuhr Bob Fowler auf seiner Sechs-Mater Yacht Misketeer ab, um für eine geplante Atlantiküberquerung zu trainieren. Der US-Autor Richard Winer schilderte Fowler, der ihm eine Erlebnisse anvertraute, als »Segler wie aus dem Bilderbuch«. (Das Bild von Bains News Service zeigt im Vordergrund eine Yacht, nur ist unklar, ob sie Resolute heißt oder Shamrock; Dank an die Library of Congress, Wash. D. C.)

Fowler hatte kein Glück. Vom ersten Tag an segelte er durch schlechtes Wetter, und es schien, als fahre er in immer noch schlimmeres Wetter hinein. Etwa auf 40 Grad nördlich erreichte der Wind die Stärke neun, und der Törn wurde zu einem Alptraum. Alle Segel waren eingeholt, und regelmäßig erhob sich mit einem Zischen eine Welle, krachte aufs Deck nieder, und pausenlos heulte dazu der Wind in der Takelage. Vier Tage hielt Bob Fowler aus und fürchtete um sein Leben. Er aß nichts, trank nichts, aber schlafen konnte er auch nicht, 90 Stunden nicht. Zu Tode erschöpft, wurde der Segler in seiner Kajüte hin- und hergeworfen, als er sie sah.

Sie waren zu dritt, und es war unklar, wie sie mit ihm in dem winzigen Raum Platz hatten. Während Fowler sie beobachtete, dachte er sich: »Das muss eine Halluzination sein. Ich bin einfach völlig fertig.« Vor ihm sah er drei Seeleute mit kurzärmligen Shirts und Schuhen mit Gummisohlen. Sie hätten ausgesehen wie viele andere in einem Yachthafen. »Dann«, erzählte er, »begannen sie, über die beste Taktik in diesem Sturm zu diskutieren.« Sie fachsimpelten, und dem ohnmächtigen Zeugen kam alles ganz »real und klar« vor, obwohl er die Gesichter seiner Besucher nicht erkennen konnte.

»Einer von ihnen sagte: ‘Wir können ihn nicht ans Ruder lassen — er ist zu schläfrig; und wenn er im Wind beidreht, kann er uns alle umbringen.« Ein guter Witz; denn Geister sind ja schon tot. Alles spricht in diesem Fall für gut gelaunte Geister. Fowler:

Sie machten sich über mich lustig und nannten mich einen jämmerlichen Seemann. Einer sagte zum anderen: »Gib ihm einen Schubs, er schläft gleich ein.« Einer der neuen Crew bemerkte: „»Wenn wir das nächste Mal anheuern, müssen wir sicherstellen, dass wir keine Schlafmütze kriegen.«

Plötzlich spricht ihn einer der Seeleute an: »Du hast das Ruder nicht gut genug befestigt! Die Pinne ist lose. Mach sie fest, geh nach vorn!« Bob Fowler schleppt sich nach oben – und es ist so, wie man ihm sagte. Er machte die Pinne neu fest, stolperte hinunter und brach zusammen. Aber schlafen konnte er nicht – vor allem, weil die drei Besucher in einem fort quatschten. Sie redeten »über Stunden hinweg«, kam es dem Segler vor. »Ich bat sie und flehte sie an, mich allein zu lassen.« Das taten sie nicht. Nun sollte er die Batterie überprüfen, eine Kappe sei abgegangen und Säure trete aus. So meinte ein Seemann, der eine blaue Windjacke trug. Diesmal blieb Bob Fowler einfach liegen. Sie redeten weiter auf ihn ein, bis er sich fragte, was eigentlich schlimmer sei, die oder der Sturm.

Sein Ziel, Plymouth in England, werde er ohnedies nicht erreichen, höhnten die Eindringlinge. Dann überraschen sie den Segler. Einer wirft hin: »Nimm dein Leuchtgewehr und geh an Deck. Da ist ein Schiff in der Nähe.« Das ließ er sich nun nicht zwei Mal sagen und krabbelte, mit dem Gewehr im Schlepp, unter Aufbietung seiner allerletzten Kräfte hoch. Ja!! Da war ein Schiff. Er schoss sechs Raketen ab. Der finnische Frachter Andrew war innerhalb von Minuten zur Stelle. Doch die See war noch zu hoch. Man musste warten.

Bob Fowler kroch wieder in sein Kabine. Die drei Seeleute waren verschwunden. Bald war die Misketeer auf Deck des finnischen Schiffes. Ein Jahr danach gab sich der Segler immer noch überzeugt davon, es habe sich um Gestalten seiner Phantasie gehandelt —  auch als sich herausstellte, dass tatsächlich eine Kappe der Batterie abgegangen und Säure ausgetreten war. Die Besucher wussten anscheinend Dinge, die Fowler selbst nicht wissen konnte: das Schiff in der Ferne, die lecke Batterie. Halluzinierte Gestalten verhalten sich meist nicht so autonom wie diese Besucher und hängen einem nicht stundenlang auf der Pelle. Warum nicht drei Geister, die zu ehemals kernigen und besessenen Fahrensleuten gehörten?

Im Internet fand ich einen Nachruf auf einen Robert Fowler, der auch Segler war und von 1942 bis 2017 lebte. Vielleicht war er es.

 

Aus: Richard Winer: Ghost Ships. New York, 2000; Kapitel Ghost Guard to the Rescue, S. 209-215

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