Heilandsgeburtstag
Der 25. Dezember war lange vor Jesus Christus der übliche Geburtstag inkarnierter Götter, Heilande und Religionsgründer. Alle Nationen im Osten, schrieb ein englischer Historiker, hätten sich in der Nacht zum 25. erhoben, um zu begehen, dass sich die Himmelskönigin niederlegte und dass geboren wurde König Sol, der Sonnenkönig: ein göttliches Kind. Kersey Graves (1813-1883) machte sich durch diese Thesen keine Freunde bei den Christen, als er sie 1875 in einem Buch veröffentlichte.
Graves nannte sein kontroverses Buch The World’s Sixteen Crucified Saviours (das Kapitel zum 25. Dezember hier) und nannte als die anderen Messiasse, von denen man behauptet, sie seien an einem 25. Dezember geboren, den Bacchus von Ägypten und Griechenland, den Adonis von Griechenland, den indischen Krishna, Chang-ti aus China (mir unbekannt), Kris von Chaldea, Mithra in Persien, Sakia in Indin und den alten britischen Helden Jao Wapaul. Ob das alles so stimmt, ist unklar, Kersey Graves bediente sich bei Sekundärquellen und kam manchmal mit Hinduismus und Buddhismus durcheinander.
Auch über die Jungfrauengeburt äußert er sich, die weltweit im Mythos nichts Seltenes ist. Dazu aber ist Otto Rank (1884-1939) interessanter, ein Mitarbeiter und Freund von Sigmund Freud, der untersuchte, wie Mythen einander beeinflussen. In seinem Buch The Myth of the Birth of the Hero (der Mythos von der Heldengeburt; leider hier nur auf Englisch) führt er die vielen Geschichten von Kindern auf, die — von königlichem Geblüt — ausgesetzt wurden, um später, herangewachsen, zurückzukehren und sich am Vater zu rächen. Stellvertretend dafür die Geschichte von Moses, der als Säugling in ein Kistlein gelegt und dieses in den Fluss geworfen wird. Ein Paar rettet ihn und zieht ihn auf.
Der König bekommt meist einen Orakelspruch, der sagt, sein Sohn werde ihn enterben und sein Reich zerstören. Deshalb soll er verschwinden. Rank versetzt sich in die Seele des Kleinen. Für diesen ist der Vater ein Konkurrent um die Liebe der Mutter (wie er auch für den Vater); eigentlich will er den Vater töten und mit der Mutter schlafen. Das genau tut in der Sage Ödipus, ohne es zu begreifen (das Orakel hat immer recht), deshalb sprechen wir vom Ödipus-Problem.
Weiter gedacht: Dem Kleinen ist es gar nicht recht, dass die Mutter mit jemandem Geschlechtsverkehr hatte, um ihn zu zeugen. Ihm wäre eine Jungfrau lieber. Vielleicht ist dies eine latente Vorstellung (bei den Männern), die im (von ihnen geschriebenen) Mythos ihren Ausdruck fand. Und das Verstoßen wäre symbolisch so zu sehen: Das Kind verehrt zunächst den Vater, der der Größte ist; dann beginnt es ihn mit anderen zu vergleichen und ist enttäuscht. Das abolut Größte wäre natürlich, den verehrungswürdigsten Vater überhaupt zu haben, Gott den Allmächtigen. Im religiösen Mythos wird dieser Traum wahr.
Aber genug davon. Als ich darüber nachdachte, stieß ich auf zwei Heroen, die am 25. Dezember Geburtstag haben, und das ist mir ein Zeichen. Ich muss sie kurz erwähnen. Da ist zunächst Humphrey Bogart, am 25. Dezember 1899 in New York zur Welt gekommen, ein Held der Schauspielkunst im 20. Jahrhundert, wird uns gesagt. Alle kennen Bogie, der am 14. Januar 1956 gestorben ist.
Ein anderer Held, weniger bekannt, ist Rod Serling, geboren am 25. Dezember 1924. Er schuf die unvergessliche US-Serie Twilight Zone (1959-1964) und leitete jeden Film selber mit einem Monolog ein, der einen einstimmt auf die düstere Handlung. (Eine typische Einleitung zu einem Film 1960 seht ihr hier.) Auch das Intro ist legendär geworden.
Schon auf der zweiten Seite meines Romans Tod am Tiber (2014) habe ich eine Episode aus Twilight Zone erwähnt, und einmal habe ich die Melodie des Intro oben in der Villa Borgese, mit Blick auf die Piazza del Popolo, von einem Karussell gehört.
Ich denke, das Paranormale wurde nie besser in Szene gesetzt als damals, auch wenn die Folgeserie Outer Limits (1963-1965) sehr gelungen war. Auch Serling wurde nicht alt. Der fanatische Zigarettenraucher starb am 28. Juni 1975.