Tschugger
Aus dem Kanton Wallis kommt eine Krimiserie, die in der Schweiz kürzlich viel Erfolg hatte, weil sie unkonventionell ist, völlig überdreht und komisch. Fünf Episoden der ersten Staffel »Tschugger« sind gelaufen, und die Fortsetzung wird gerade produziert.
Das Vorbild ist klar: die Filme der »Fargo«-Serie, die vor einigen Jahren dem Kultfilm folgten und gleichfalls im Schnee spielten, und es ging grausam und lustig zu, irreal und absurd, und vielleicht ist es der Stil unserer Jahre, da alles andere bereits hinter uns liegt.
Alles wurde immerzu zu ernst genommen, bis dieser Ernst überdehnt wurde und nicht mehr richtig zu ertragen war, und jemand fand sich, der sich darüber lustig machte. Das ist immer auch ein Protest gegen Zumutungen, ein später Aufstand gegen das »Establishment«, wie man früher sagte, denn die Persiflage kommt erst, wenn das Genre bereits dekadent geworden ist. Dass Western und Krimi dekonstruiert wurden, zeigt an, dass sie nur noch als Sammelbüchse von Konventionen funktionieren, als klischeegeladene Filmhülsen. Und die ganze Gesellschaft arbeitet mit Worthülsen, die nur noch Signale aussenden, die in ihrer Vagheit ideal die herrschende Geistesleere widerspiegeln.
Tschugger ist ein Schimpfwort für den Polizisten, und der etwas geschwätzige Held ist Bax Schmidhofer (David Constantin, auch Regisseur und Drehbuchautor), der daherkommt wie einst Kommissar Schimanski — mit Cowboystiefeln, Jeans und Parka. Ihm zur Seite steht der gutmütige, hilflose Polizist Pirmin (Dragan Vujic). Das Wallis ist ein bergiger Kanton, und über die Berge werden Drogen geschmuggelt. Die beiden machen Fehler über Fehler und stolpern dann doch wieder mitten hinein in den Schauplatz.Sie reden ihr Walliserisch, das man verstehen kann, doch deutsche Untertitel werden auch präsentiert.
Man kann das nicht gut mit Worten schildern. Jedenfalls muss man sich an den offensiven, dabei unfähigen Bax erst gewöhnen, aber bald ist man gefangen. Da werden Klischees genüsslich ausgespielt und dann liebevoll zertrümmert, und man ist bewusst inkorrekt, weil das Spaß macht, und in diesem Chaos kann alles passieren und das genaue Gegenteil, und es geht um die Überraschung, die das Bewusstsein aufweckt und ihm einen Kick gibt. Das Unerwartete ist das Leben!
Ein wenig Miami Vice ist drin (die aufpeitschende Titelmelodie), und überhaupt ist die ganze Geschichte des Fernsehkrimis drin. Theodor W. Adorno schrieb in seiner Ästhetik, dass sich Kunstwerke nur an anderen Kunstwerken messen lassen und sich andere Werke zum Vorbild nehmen. Alles, was bislang filmisch nmit Krimis angestellt wurde, ist in Tschugger eingeflossen und wurde verarbeitet. Man muss es sich anschauen, um die Atmosphäre mitzukriegen. Macht Spaß.
ψ Ψ ℵ
Ich freue mich: Vergangene Nacht träumte ich von Lucius Werthmüller, der vor neun Monaten überraschend gestorben ist. Wir waren zusammen in einem Weingut, gingen da umher, ich stellte ihm einen alten Freund vor, und er, Luci, schlug mir vor, heimzugehen und mit meinem Mercedes vorbeizukommen (dabei fahre ich Volvo). Ich erwachte glücklich und schrieb mir den Traum in mein Traumbüchlein. Es dauert ja immer eine Weile, bis die Verstorbenen sich melden, manchmal Jahre, doch ich war mir sicher, Luci würde mir irgendwann ein »Lebenszeichen« senden.
Freilich denkt man: Vielleicht hat dich etwas vom Tag zuvor an ihn erinnert? Doch wenn es der lebenslustige, bärtige Bax gewesen sein sollte (mein Blick war auch gestern auf den Tschugger gefallen), dann hätte ich breits am 3. und 4. Januar, als wir die Folgen sahen, von ihm träumen können. Ich bin mir sicher: Luci geht es gut.