Flugverkehr (131): Und die Tiere, meistens Vögel
Manchmal schicken Verstorbene als Boten auch Tiere vorbei. Am beliebtesten sind Schmetterlinge und Vögel. Der Schmetterling, der sich aus dem Kokon herauskämpft und sich schön und schwerelos in die Lüfte erhebt, ist dabei ein Symbol für den Übergang, wie es wohl weltweit verstanden wird. Doch überzeugender ist es, wenn kurz nach einem Todesfall ein Tier erscheint, das man eindeutig mit dem Verstorbenen in Verbindung bringt.
Eine hübsche Geschichte stammt von Camille Selden, mit der sich der deutsche Schriftsteller Heinrich Heine (1799‑1856), in Paris lebend, angefreundet hatte, als er schon sein »Matratzenlager« hüten musste. (Das habe ich schon einmal im Oktober 2016 veröffentlicht.) Erst 28 Jahre nach dem Tod des »charmant écrivain«, wie ihn der französische Forscher Flammarion nannte, publizierte Frau Selden die Episode. Heine kannte sie in den Jahren 1855 und 1856, und es war eine zärtliche, dabei intellektuelle Beziehung. Er nannt sie seine »petite mouche«, seine kleine Fliege. Madame Selden berichtete:
An jenem Sonntag, 17. Februar 1856, wurde ich auf ungewöhnliche Weise geweckt. Gegen acht Uhr hörte ich in meinem Zimmer Lärm: eine Art von Schwirren, wie sie in Sommernächten die Flügel von Schmetterlingen vollführen, wenn sie ins Zimmer eingedrungen sind und einen Weg ins Freie suchen. Meine Augen öffneten sich, aber sie schlossen sich sogleich wieder: Eine schwarze Form wand sich und schien im ersten Licht des Tages einem gigantischen Insekt zu gleichen, das auf irgendeine Weise versuchte, ins Freie zu kommen.
Der Astrophysiker Randy hatte seinen Vater verloren. Nach der Beerdigung setzte er sich auf ihrer beider Grundstück am Meer, wo sie oft seine geliebten Strandvögel betrachtet hatten. Da hörte er einen fernen Ton. Es war das Lied eines Strandvogels. Als Randy angestrengt lauschte, erhob sich der Tod zu einem hellen Triller. … »Ich weiß nicht, wie ich es erklären kann«, sagte er. »Ton wurde zu Licht. Und dieses Licht enthielt ein Gefühl. Ich war so glücklich, weil ich wusste, dass alles in Ordnung kommen würde und es meinem Vater gut ging.« Dann hörte er laut und deutlich die Stimme seines Vaters, die sagte: »Hier klingen die Vögel besser. Keine Kratzer.« Randy lachte.
Stewart, der Mann der Buchhalterin Mary Kate aus Washington, war mit 48 Jahren an Leukämie gestorben. Er hatte seit seiner Kindheit davon geträumt, ein Flugzeug zu besitzen, und als die Krankheit festgestellt worden war, machte er seinen Traum wahr. »Diese fünf Jahre waren die glücklichsten seines Lebens«, schrieb Mary Kate. Stewart liebte das Fliegen, die Freiheit und das Buch Die Möwe Jonathan von Richard Bach.
Drei Wochen nach Stewarts Tod saß seine Witwe weinend am Esstisch und blickte auf die Terrasse.
Dort saß die größte Möwe, die mir je zu Gesicht gekommen ist, auf dem Geländer und sah mich an, als wolle sie mir sagen: ›Du schaffst das schon!‹ Ich lebe über fünfhundert Kilometer von der Küste entfernt und habe nie zuvor eine Möwe auf meiner Terrasse oder im Garten gehabt! Ich stieg ins Auto, und die Möwe folgte mir den ganzen Weg zur Arbeit! Danach habe ich immer wieder bemerkt, dass die Möwe mir folgte, wenn ich zur Arbeit fuhr … Daran erkannte ich, dass es ihm gutgeht und er nicht mehr leidet und dass er frei durch den Himmel fliegt, wie er es hier auf der Erde getan hat.
Vor Jahren schickte ich mich an, von Landsberg mit meiner Mutter im Auto nach Westen zu fahren. Ich dachte an meinen Freund Michi, der kurz zuvor mit 50 Jahren an einem Herzanfall gestorben war. Als ich so fuhr, sah ich im Rückspiegel, dass ein Schmetterling im Rückraum des Wagens herumtanzte. Mehrmals sah ich ihn. Bei einer Pause wollte ich ihn ins Freie lassen und öffnete die Heckklappe: doch keine Spur mehr von dem Schmetterling. Mehrmals haben mir Freund erzählt, dass bei einem Begräbnis ein Vogel oder ein Schmetterling in der Nähe der Gesellschaft und des Grabes zu sehen war, und als die gute Rosel im Heim gestorben war, flog in der Bugginger Kirche bei der Messe oben unter dem Dach ein kleiner Vogel umher, und ich dachte an sie.
In dem Beitrag Herr Magnussons Möwe gibt es noch ein paar Geschichten aus diesem Umkreis.