Nichtigkeit

Die Wichtigkeit und die Nichtigkeit(en). Nichtig ist weniger als nicht wichtig; das ist fast nichts, aber nicht ganz. Unstrittig ist wohl, dass unsere Person wichtig ist, unser Ich. Wichtig schon, aber wie wichtig? Geben Sie eine Punktzahl zwischen »extrem wichtig« (10) und nichtig (0) an! Ich würde da eine 2 einfügen, während die meisten für 9 votieren würden. Dazu nun eine Anekdote mit einem Papst. 

R.7e902b2992c50ce3968c3f19ae882b51Kürzlich kam der Hausarzt des Ortes ins Altenheim. Ich öffnete ihm, und er sagte erfreut: »Hey, Sie singen immer, sind immer gut gelaunt! Gibt’s da ein Geheimnis?« Viele wollen das wissen. Man könnte mit einer Anekdote antworten, die ich der Sonntagspredigt eines Pfarrers entnahm. Mit dem Christentum hat das nur am Rande zu tun, aber Papst Johannes XXIII. (bürgerlich Angelo Roncalli, 1881-1963), der nur 5 Jahre amtierte, war ein äußerst liebenswürdiger und beliebter (wohl auch beleibter) Papst.

Ein frisch gewählter Bischof kam zu ihm in den Vatikan und schilderte, er könne vor lauter Sorgen nicht mehr schlafen; die Verpflichtungen und die Verantwortung seines neuen Amtes machten ihm zu schaffen. Da sagte Johannes XXIII.: »Mir ging es in den ersten Monaten als Papst ähnlich. Bis mir mein Schutzengel erschien und mir sagte: ›Lieber Giovanni, nimm dich doch nicht so wichtig!‹«

Stress ist etwas Objektives. Wie jemand mit ihm umgeht, ist das Entscheidende. Wer Angst hat zu versagen und dauernd kämpft, wird Schaden nehmen, genauso wie jemand, der sich einsetzt und eine Belohnung oder Dank erwartet (was natürlich ausbleibt). Da ist unser Ich bedroht: unsere Würde und unser Selbstbild. Brauche ich meine Würde? Brauche ich mein Ich? Die Buddhisten sagen: nein. Es lebt sich hervorragend auch ohne. Habe keine Bedürfnisse, sei bescheiden, tu, was du kannst und vergiss dein kostbares Ich.

Ein wenig bin ich auf diesem Weg vorangekommen. Einmal im Monat tritt richtig Stress auf. Da wollen drei Leute getestet werden und warten draußen, man zieht das Schutzgewand an, ein Schreibstift ist nicht zu finden, im Flur ruft jemand deinen Namen … Früher wurde ich schnell kopflos und geriet in Panik. Dann ärgert man sich über die Lage, meint, es nicht zu schaffen und wird noch panischer. Mittlerweile verdränge ich diese Gedanken und tue ohne Wut, was ich tun kann. Es geht ja nicht um mich; ich fülle eine Funktion aus und muss nur systematisch den Anforderungen gerecht werden. Wenn das drei Mal geklappt hat, wird es auch das vierte Mal klappen. Wenn nicht, auch egal. Immer mit der Ruhe!

Ich bin auch nicht mehr schnell beleidigt. Alle können alles zu mir sagen; ich lächle. Buddhistisch. Dazu trägt bei, dass ich nicht wissen will, was draußen in der Welt vorgeht. Man soll sich mit dem abgeben, was man vor Augen hat. Think global, act local. Überhaupt, mal böse gesagt: Was interessiert mich die Ukraine? Alle reden darüber, muss ich nicht auch noch drüber reden. Das ist die christliche Weltferne oder die Abkapselung des Mönchs, der nur seinen Nächsten sieht. So entsteht eines Tages die reine Selbstlosigkeit.

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