Else Lasker-Schüler

Ich wollte ja eine neue Serie über Dichterinnen beginnen. Tue ich hiermit, aber ohne große Theorie. Also ein Leben, ein paar schöne Gedichte, einige verbindende Worte. Fangen wir mit Else Lasker-Schüler an, mit der mich der Geburtstag verbindet, der 11. Februar.     

Ihr Geburtsjahr war 1869, der Ort: Wuppertal. Mit 30 war sie Waise, auch ihr Lieblingsbruder war gestorben, aber sie war mit Berthold Lasker verheiratet, dem Bruder des großen Schachspielers Emanuel Lasker. Scheidung 1903, Heirat mit dem Schriftsteller Herwarth Walden, Scheidung 1912, Freundschaft mit Gottfried Benn (Lyriker) und später Franz Marc (Maler). Emigration nach Zürich, aber die Schweizer Behörden waren streng mit ihr (und mit anderen auch). 

Sie wollte zurück, der Krieg brach aus, und dann starb sie am 22. Januar 1945 in Jerusalem. Sechs Gedichtbände hat sie veröffentlicht. In Das große deutsche Gedichtbuch, herausgegeben von Hans-Otto Conrady 1977, ist Else Lasker-Schüler als eine der wenigen Frauen vertreten, die vermutlich 1 Prozent ausmachen. Dafür sind gleich 23 Gedichte von ihr abgedruckt.  

Zwei gefallen mir besonders gut. Ein wenig theatralisch, sehr gefühlvoll, dabei ungewöhnlich in Wortwahl und Rhythmus. Im Expressionismus, also etwa von 1910 bis 1930, war auch die Lyrik in Bewegung, neue Formen und Bilder wurden gesucht, das 19. Jahrhundert war abgehangen, und in Frankreich hatten Arthur Rimbaud (1854-1891) mit Le bateau ivre und Un saison en enfer und Charles Baudelaire (1821-1867) mit Les fleurs du mal längst den neuen Ton angegeben. Aber auch wenn neue Formen möglich sind – können muss man es.  

Weltende

Es ist ein Weinen in der Welt,
Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
Lastet grabesschwer. 

Komm, wir wollen uns näher verbergen …
Das Leben liegt in aller Herzen
Wie in Särgen. 

Du! Wir wollen uns tief küssen −
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt
An der wir sterben müssen. 

Da ist mein Weltuntergangsmotiv, aber Melancholie ist so schön. Und auch das nächste ist mein Motiv – der Rückzug von der Welt, mit Gott oder wem immer. Der Zeilen elf – gute Zahl.

Ein Liebeslied

Komm zu mir in der Nacht – wir schlafen engverschlungen.
Müde bin ich sehr, vom Wachen einsam.
Ein fremder Vogel hat in dunkler Frühe schon gesungen,
Als noch mein Traum mit sich und mir gerungen. 

Es öffnen Blumen sich vor allen Quellen
Und färben sich mit deiner Augen Immortellen …

Komm zu mir in der Nacht auf Siebenmeilenschuhen
Und Liebe eingehüllt spät in mein Zelt.
Es steigen Monde aus verstaubten Himmelstruhen.  

Wir wollen wie zwei seltene Tiere liebesruhen
Im hohen Rohre hinter dieser Welt.

 

 

 

    

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