Magisch schizophren
Wenn es um zwei Seelen geht, dürfen wir die Schizophrenie nicht unterschlagen! Mit dem Buch Magic and Schizophrenia beschloss der Ungar Geza Roheim (1891-1953) sein Lebenswerk. Darin vereinte er seine ethnologischen Forschungen in exotischen Ländern mit dem, was er in der zweiten Hälfte seines Lebens über Schizophrene herausgefunden hatte. Das anregende Werk erschien erst zwei Jahre nach Roheims Tod.
Wir erfahren darin viel über das Lebensgefühl des Schizophrenen, der gespalten ist. Er fühlt sich, als seien zwei Personen in ihm unvollkommen vereinigt, und dies sind … Mutter und Kind. Er glaubt, dass er (oder sie) mit magischen Kräften Personen zu beeinflussen vermag, unterliegt aber auch magischen Kräften, die auf ihn eindringen. Und er ist immer in Gefahr, sich total mit anderen Menschen oder Gegenständen in seiner Umgebung zu identifizieren.
Der Kranke manipuliert Wörter auf magische Weise und identifiziert sich auch mit diesen: Sie verlieren sich in ihm, wie er sich in der Welt verliert und verloren fühlt. Die versuchte Magie dient nur dazu, seine frühere Abhängigkeit als Kind zu verleugnen; er verbleibt auf dem Niveau des Kleinkinds, das mit Worten Macht über seine Umgebung gewinnen will, das ein kaum ausgeprägtes Ich besitzt und sich deshalb oft mit der Umgebung verwechselt. Roheim schreibt:
Wir können den Schizophrenen also als gescheiterten Magier verstehen.
Roheim war Mitarbeiter von Freud, der wie andere Psychologen meinte, das Kind wende seine Liebe zunächst auf vorübergehende Objekte, die aber nur Dinge sind und wieder weggelegt (und damit zerstört) werden. Die Erfahrung, dass das Kind nicht mit ihnen zugrundegeht, lässt sein Ich Stabilität bekommen, da es ja von der Liebe der Mutter getragen wird. Wird ein Kind jedoch nicht von seiner Mutter geliebt, fängt es an, sie zu hassen: Das gute Objekt wird zum bösen Objekt. Das Kind ist frustriert worden, projiziert seine Wut nach draußen und bekommt sie wieder zurück. Um sich vor der Verzweiflung zu retten, verbündet es sich entweder mit der Aggressorin oder erfindet sich ein Allmachtsgefühl. Auf die Hilflosigkeit reagiert es mit einem fantasierten Omnipotenz-Gefühl, das magische Züge trägt.
Die Schizophrenie sei daher, schließt Roheim,
eine Regression in den Zustand, der der Evolution des Ego (des Ich) vorangeht … Wir sind erst dann eine Person, wenn wir uns im Kontrast zu Anderen sehen können.
Das Ich entsteht durch das Widerspiel mit dem Du. Gelingt die Auseinandersetzung nicht, bleiben wir eine Hülle, die willenlos von inneren Spannungen und äußeren Einflüssen beherrscht wird und ihnen zu unterliegen droht. Sich in diesem Chaos zu behaupten und zu überleben, gelingt nur durch äußerste Anstrengung und viele Tricks, und deren Gesamtheit wird dann in der Diagnose Schizophrenie zusammengefasst.
Man sähe Geisteskrankheiten gern als Probleme der Gehirnchemie (wie bei der bipolaren Störung), doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist es die Umwelt (also nächste Menschen), die diese Menschen zerstörte. Ihre Krankheit ist ein Selbstheilungsversuch, der oft genug zum Scheitern verurteilt ist. Dennoch sind Schizophrene und andere Patienten Überlebende. Der Preis fürs Überleben ist hoch: eine lebenslange psychische Störung. Krank gemacht hat sie mangelnde Liebe.