Hinter Mauern

Da wir gestern über Karl Jaspers und in diesem Zusammenhang auch über Hans Prinzhorn gesprochen haben, bietet es sich an, malwieder die Prizhorn-Sammlung zu erwähnen, die im Universiätsklinikum Heidelberg untergebracht ist. Die derzeitige Sonderausstellung läuft schon seit dem 24. März, dauert aber noch bis zum 31. Juli. Der Titel: Hinter Mauern. Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen der Schweiz 1880-1935. Da macht es sich manipogo wieder leicht und druckt den Text des Flyers ab:

csm_HinterMauern.K11-037_3a28ab0527Viele Klinikarchive bewahren einen Schatz an historischen Fotografien und Glasdiapositiven aus der Zeit um 1900 auf, als sich diese Institutionen professionalisierten, modernisierten und neu strukturierten. Meist waren es die Psychiater*innen selbst, die zur Kamera griffen. In den Fotos „materialisiert“ sich der ärztliche Blick auf Anstalt und Umgebung, Patient*innen, auf den Arbeitsalltag aber auch auf Freizeit und Feste und das Pflegepersonal. Psychiater*innen verwendeten Lichtbilder in Fachvorträgen und statteten medizinische Publikationen reich mit Abbildungsmaterial aus. Fotos wurden wirkungsvoll in der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt oder dienten der Unterhaltung. Das Medium Fotografie (und bald auch jenes des Films) scheint die Psychiatrie geradezu beflügelt zu haben.

Die Ausstellung »Hinter Mauern« zeigt erstmals eine Auswahl aus den umfangreichen Schweizer Beständen und untersucht die Fotografien auf ihre Funktion und Wirkungsweise hin. Sie stellt damit auch gesellschaftspolitische Fragen: Welche Botschaften transportierte das Medium Fotografie? Werden psychische Krankheiten auf Fotos sichtbar? Wurden Patient*innen um ihr Einverständnis gebeten?

Ergänzt wird die Ausstellung um Werke der Sammlung Prinzhorn, die den Anstaltsalltag um 1900 aus der Sicht der Patient*innen widerspiegeln.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Deutsch und Englisch: HINTER MAUERN / BEHIND WALLS. Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen 1880–1935 / Photography in Psychiatric Institutions from 1880–1935, hrsg. von / ed. by Katrin Luchsinger und Stefanie Hoch

Weitere Ausstellungsstationen:

Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen: 2.10.2022–16.4.2023

Psychiatrie-Museum Bern: voraussichtlich 26.5.2023–4.2024

Foto: Kantonale Irrenanstalt Waldau, ohne Legende. Patient in der offenen Tür der »Varekzelle« – einer Isolierzelle, die lediglich mit Seegras ausgestattet war. Die Patientinnen und Patienten wurden zuvor entkleidet. Der Patient trägt einen selbst gefertigten Rock, Schärpe, Stirnband und Strumpfbänder aus Varek und eine Krone. Der Wärter hält in der Hand den Vierkantschlüssel. Fotografin/Fotograf unbekannt, undatiert, Glasnegativ, 18 13 cm › PM K11-037

Aus der Homepage des Museums:

Die Geschichte der Sammlung

1922 publiziert Prinzhorn auf der Grundlage der Sammlung seine reich illustrierte Studie „Bildnerei der Geisteskranken“, die viele Kunstinteressierte und Künstler seiner Zeit anspricht und zur Bilderbibel der Surrealisten wird. Mehrfach wieder aufgelegt und in verschiedene Sprachen übersetzt, bleibt das Buch ein Klassiker. 1938 übergibt Klinikdirektor Carl Schneider Werke der Sammlung der Wanderausstellung „Entartete Kunst“. In der Ausstellung werden sie als pathologisches Vergleichsmaterial zur Kunst der Moderne missbraucht. Nach dem Krieg vergessen, wird 1963 die Sammlung von Harald Szeemann wieder entdeckt. Er zeigt eine Auswahl in der Kunsthalle Bern. Es folgen nationale und internationale Ausstellungen, welche die Sammlung erneut bekannt machen. 2001 erhält die Sammlung endlich ein eigenes Museumsgebäude, einen umgebauten alten Hörsaal der Neurologie auf dem Gelände des alten Universitätsklinikums in Heidelberg. Der neuere Bestand umfasst mittlerweile ca. 20.000 Werke. … Um zukünftig regelmäßig Neuzugänge und neben den Wechselausstellungen auch eine Dauerausstellung präsentieren zu können, ist ein Erweiterungsbau geplant.

Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, Vossstraße 2, Montag geschlossen, Di, Do-So 11-17 Uhr, Mittwoch 11-20 Uhr.

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