Wenn Drais das gewusst hätte

Carl Drais (1785-1851), der sich 1817 mutig (und vermutlich viel belacht) auf seinem Laufrad zeigte, war eigentlich Freiherr, doch den Titel legte er ab. Er legte den Grundstein zum Fahrrad, und in einem Beitrag über das Verkehrsmuseum Karlsruhe erwähnte ich ihn, und anlässlich der Feiern zum 200. Geburtstag des Laufrads auch. Ich wusste nicht, dass es später Drais-Räder geben würde, und hätte er es gewusst! (Wir sagen: Er weiß es.)  

Die Fahrradbeiträge auf manipogo sind immer weniger geworden, und würde nicht Michael Faiß (der mit dem Museum Scheunenfund in Weilheim beiu Tübingen) manchmal an mich denken, würde das Rad hier im Blog langsam aussterben — wie auf den Straßen auch, und dass fast nur mehr elektrisch betriebene Räder herumfahren, hat mir die Freude an der Beschäftigung mit dem Zweirad verdorben.

2022-06-05-0002Die Geschichte jedoch bleibt und wird fortgeschrieben, und Freunde denken an mich. So schickte mir doch Angelo aus St. Gallen (der Engel!) das neue Magazin des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich zu. Darin steht die Geschichte von André Brulé (Bild rechts) auf dem Simplon-Pass. Er gewann am 2. August 1949 die 350 Kilometer lange Etappe von Ascona nach Genf. Brulé war der erste Fahrer auf dem Simplon (2009 Meter) und soll dort oben Siesta gemacht und noch ein paar Ansichtskarten geschrieben haben … Legendär aber wurde nur der Aufenthalt von Federico Martin Bahamontes, dem »Adler von Toledo«, 1955 auf dem Romeyre-Pass, wo er ein Vanille-Eis aß und dann gemächlich abfuhr …

Und kürzlich nahm ich verblüfft zur Kenntnis, dass ein Katalonier bei einem Motorradrennen mit 363 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen war — um, noch verblüffter, dem Magazin zu entnehmen, dass 2018 Denise Mueller-Korenek auf einem Spezialvelo (und vermutlich hinter einem Fahrzeug) ein Tempo von 296 Kilometern in der Stunde erreicht hatte!

Michael Faiß ist der große Schrauber und Polierer und schrieb mir am letzten Tag des Monats Mai über eine wunderschöne Neuerwerbung, die wir gleich sehen.

IMG_20220510_093535

Ich möchte dir unsere neue Bewohnerin des Fahrrad Museums vorstellen. Es ist das erste Mal, dass mir so ein altes Fahrrad zum Kauf angeboten wurde. Und ich musste es nehmen, das Rad wäre bestimmt in falsche Hände geraten. Es ist ein Drais Damenrad, Baujahr vor 1900. kulturhistorisch sehr wertvoll, wenn man liest, wer die Firmengründer waren. Damals ignorierte das arrogante Kaiserreich den Basisdemokraten Drais als Erfinder des Fahrrades (der Badische Aufstand war kurz vorher niedergeschlagen worden), und das restliche Europa hielt es genauso. Das ließen sich angesehene Mannheimer Bürger nicht gefallen und gründeten die Drais-Werke.

IMG_20220510_093600

Das Rad ist klasse! Alle Teile sind original. Ein paar fehlen (Schutzbleche, Hebelbremse). Der Lack ist noch gut vorhanden und der Nickel ist eine Wucht. Ich werde es nächsten Winter vorsichtig reinigen und den Rost ein wenig entfernen. Dann wird sich auch das Baujahr herrausstellen. Es soll so bleiben wie es ist, also nicht fahrbereit. Und es wird der Star im Museum und eine »Steilflanke« für eine Museumsführung sein, ganz nahe zu den Anfängen.

Mach`s gut, Michael

IMG_20220510_093608

Die Drais-Werke wurden 1896 gegründet, und von 2003 stammt noch eine Meldung über sie: In drei Teile geteilt würden die Draiswerke, schrieb die IG Metall. Fahrräder wurden vermutlich eine Weile hergestellt, und als sich das nicht mehr als profitabel erwies, produzierte man was Anderes aus Metall. Etwas Besonderes ist der Sattel mit dem Schlitz, und das brave Schloss daruter ist einfach süß.. Da hat man fast Lust, beim Restaurieren dabei zu sein und von Michael zu lernen, wie man das fachmännisch tut.

IMG_20220510_093822

Die Kommentarfunktion ist derzeit geschlossen.