Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche (1848-1900) gehört zum Beispiel nicht zu jenen »meisten Philosophen«, die gestern buddhistischerseits kritisiert wurden. Er war zwar ein Mann des 19. Jahrhunderts, doch so sehr Einzelgänger und Genie, dass er als ein moderner Philosoph gelten kann, der ewige Wahrheiten ablehnt, alles im Werden sieht und die Welt (wie die Buddhisten) für eine Illusion hält.

In Menschliches-Allzumenschliches (1882) hat er diesen wunderbaren Satz:

Nicht die Welt als Ding an sich, sondern die Welt als Vorstellung (als Irrtum) ist so bedeutungsreich, tief, wundervoll, Glück und Unglück im Schoße tragend. Dies Resultat führt zu einer Philosophie der logischen Weltverneinung, welche sich übrigens mit einer praktischen Weltbejahung ebenso wie mit dem Gegenteil vereinigen lässt.

Im Untertitel heißt die Schrift Ein Buch für freie Geister, und im Vorwort schreibt Nietzsche:

Man darf vermuten, dass ein Geist, in dem der Typus »freier Geist« einmal bis zur Vollkommenheit reif und süß werden soll, sein entscheidendes Ereignis in einer großen Loslösung gehabt hat, und dass er vorher um so mehr ein gebundener Geist war und für immer an Erde und Säule gefesselt schien. … Die große Loslösung … kommt plötzlich, wie ein Erdstoß: die junge Seele wird mit einem Male erschüttert, losgerissen, herausgerissen, —  sie selbst versteht nicht, was sich begibt.

Ich verwende hier nur Zitate aus den ersten 40 Seiten, aus dem Abschnitt Die Ersten und die Letzten Dinge. Metaphysik ist die Beschäftigung mit den geistigen, unbekannten, jenseitigen Dingen. Hat es Sinn, übers Jenseits nachzudenken? fragt sich der Philosoph.

Denn man könnte von der metaphysischen Welt gar nichts aussagen als ein Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften.

Im Traum glaubte der Mensch … eine zweite reale Welt kennenzulernen … Auch die Zerlegung in Seele und Leib hängt mit der ältesten Auffassung des Traumes zusammen, ebenso die Annahme eines Seelenscheinleibes, also die Herkunft alles Geisterglaubens und wahrscheinlich auch des Götterglaubens.

Das Folgende betrifft die Metaphysik, aber auch den Menschen an sich, worum’s in den letzten Zitaten geht.

Unsere Empfindungen von Raum und Zeit sind falsch, denn sie führen, konsequent geprüft, auf logische Widersprüche.

Man redet vom Menschen als von einem ewigen: Alles aber ist geworden. Es gibt keine ewigen Tatsachen, so wie es keine absoluten Wahrheiten gibt.

Zu den Dingen, welche einen Denker in Verzweiflung bringen können, gehört die Erkenntnis, dass das Unlogische für den Menschen nötig ist, und dass aus dem Unlogischen viel Gutes entsteht. Es steckt so fest in den Leidenschaften, in der Sprache, in der Kunst, in der Religion und überhaupt in allem, was dem Leben Wert verleiht, dass man es nicht herausziehen kann, ohne diese schönen Dinge heillos zu beschädigen.

… denn die Menschheit hat im ganzen keine Ziele, folglich kann der Mensch, in Betrachtung des ganzen Verlaufs, nicht darin seinen Trost und Halt finden, sondern seine Verzweiflung. … Sich aber als Menschheit (und nicht nur als Individuum) ebenso vergeudet zu fühlen wie wir die einzelne Blüte von der Natur vergeudet sehen, ist ein Gefühl über alle Gefühle.

Im Grunde ist Friedrich Nietzsche auch ein Vorläufer der Existentialisten wie Camus, Sartre und Beckett, und auch er spürt in der Sinnlosigkeit und Verlorenheit ein seltsames Glück heraufdämmern, eine Euphorie gar.

 

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