Ein Film noir in Mannheim

Eigentlich hatten wir vergangenen Samstag Meine geniale Freundin im Mannheimer Nationaltheater sehen wollen, die Fortsetzung der Aufführung von vor drei Jahren. Wir ruhten noch ein wenig im Hotelzimmer, als Franziska klopfte und fassungslos verkündete: »Die Vorstellung fällt aus!« Wir hatten uns so auf sie gefreut. Also mussten wir auf die Schnelle ein Alternativprogramm finden und landeten beim Open-Air-Kino, einem Film noir.

Das war auf der offenen Dachfläche des Cinema Quadrat, des Mannheimer kommunalen Kinos (Adresse K1, 124), das dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Bis des dunkel wurde, sprach ein Referent über den Film noir, der in den Jahren von 1941 bis 1958 das US-amerikanische Filmschaffen dominierte. Es waren Schwarz-Weiß-Filme mit viel Schatten und düsterer Handlung, verwandt mit dem französischen Existenzialismus, auf den ich am Schluss des gestrigen Beitrags hingewiesen hatte. Die Kriegsjahre waren eine harte Zäsur, die zurückgekehrten Soldaten fanden eine veränderte Gesellschaft vor, und der Zeitgeist war ein gewisser Fatalismus ohne Illusionen.

Die bekanntesten Filme sind natürlich The Maltese Falcon (1941) und Touch of Evil (1958) von Orson Welles (1915-1985). Der letztere Film gilt als End- und Höhepunkt der Film-noir-Bewegung in den USA, und der Referent pries die Anfangssequenz, in der unerhört viel passiere und die als eine einzige Einstellung gedreht sei (hier zu sehen). Der von Cinema Quadrat ausgewählte Film hieß Out of the Past und hatte im Deutschen den unerträglichen Titel Goldenes Gift (so war auch der Titel der deutschen Übersetzung der Vorlage, des Buches Build My Gallows High von Geoffrey Homes).

kthieIm Film noir gab es viel Schatten und viele Nachtaufnahmen, und immer war eine Femme fatale dabei (hier fatale als tödlich, nicht als fatalistisch oder schicksalhaft zu begreifen), eine anziehende, aber gefährliche Frau. Das »goldene Gift« des Titels sollte wohl auf Kathie Moffat anspielen (im Film Jane Greer, die von 1924 bis 2001 lebte), aber ich fand, sie war zu schön und zu anschmiegsam, um böse zu sein; das Böse fand sich nicht in ihrem Gesicht, und ich bin überzeugt, dass sich auf dem Gesicht das Innere des Menschen zeigt.

b8980d68cc9c93f362d147bb303ca5f2Der Privatdetektiv Jeff Bailey wird von Robert Mitchum (1917-1997) gespielt, und Kirk Douglas ist als schmieriger Krimineller dabei. Bailey besitzt eine Tankstelle und liebt eine Frau des Dorfes, als ihn die Vergangenheit einholt. Er erzählt (Rückblenden sind häufig im Film noir) seiner Geliebten von seiner Affäre mit Kathie, die er in Mexiko auftrieb, in die er sich verliebte, mit der er lebte, bis ihn auch damals die Vergangenheit (Kathies) einholte: Out of the Past eben; aus dem Vergangenen kommt die Gefahr.

Mitchum im zerknautschten Regenmantel und der Stummelkrawatte eilt durch den Film, irgendwie teilnahmslos und gleichzeitig verbissen, alle paar Minuten eine Zigarette rauchend, und seine Liebesgeständnisse klingen routiniert. Douglas übertreibt das Schmierige, und etwas Fatalistisches oder Verzweifeltes kann nicht aufkommen, da der Film (Regie: Jacques Tourneur) von Effekt zu Effekt hastet. Die New York Times schrieb 1947:

Wenn wir nur eine Ahnung hätten, was in der letzten Hälfte des Filmes eigentlich passiert, würden wir vielleicht mehr Freude daran haben.

Fast 40 Jahre später, 1984, wurde die Handlung von Taylor Hackford unter dem Titel Gegen jede Chance (Against all Odds) nochmals verfilmt, und wir kennen den Song von Phil Collins, der hier eine Rolle spielt. Jeff Bridges ist der Hauptdarsteller, Rachel Ward die Femme fatale. Den Trailer haben wir hier. Ich habe ihn vielleicht gesehen, aber er stammt aus den gelackten 1980-er Jahren, also gibt es Sex-Effekte und viel schönen Schein. Am Zeitgeist kommen wir eben nicht vorbei.

 

 

 

 

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