Fotokunst (2)
Nach 5 Jahren wieder im Fotomuseum Winterthur gewesen, und es war wie damals ein Mittwoch. In Museen geht es nicht unbedingt um die ausgestellten Werke, sondern um die eigenen Reaktionen darauf, die einem sagen, wo man steht.
Die Fotostiftung Schweiz zeigte Silent Transition als Ausschnitt aus dem Werk von Georg Aernie, geboren 1959. (Noch bis 16. Oktober zu sehen, Winterthur, Bushaltestelle Fotozentrum, nahe am Bahnhof.) Die Fotostiftung schreibt.
In konsequenter Fortsetzung seines früheren Werks beleuchtet Georg Aerni die Schnittstellen zwischen Kultur und Natur, untersucht die Zeichensprache urbaner Räume oder widmet sich den Metamorphosen von Landschaften und Bauwerken.
So schreibt man das, wenn man Kunstgeschichtler ist. Der Fotograf hat viele bewachsene Felsen und Betonreste im Wald als Motiv genommen, obendrein verfallene Fabriken und alte Türme und Hochhäuser in Kairo, die am ehesten überzeugen können, doch was heißt das? Vielleicht, dass man aufmerkt und näher hinschaut und einen Gedanken dazu hat.
(Bei Hochhäusern denke ich immer dasselbe: In jedem schuhschachtelartigen Raum sitzt ein Mensch, der hinaus ins Leben geht, weil er leben will und muss, der etwas sucht und zum Schlafen wieder zurückkehrt, und manche finden nichts und sterben traurig.)
Kuriose Gebilde im Wald und auf der Heide kann man finden und auch fotografieren, aber das reicht nicht. Beim Betrachter muss da etwas aufblitzen, und es muss evident sein: sonnenklar und blitzartig erhellend.
Wie vor 5 Jahren war die Ausstellung im Seitenbau auch nicht die große Entdeckung. Die Ausstellungsmacher (oder Kuratoren) geben sich ein Thema und steigen dann in den Keller, um zu suchen, was sie dazu im Archiv haben. Das Thema war Wahlfamilie. Zusammen weniger allein.
Nan Goldin (1953 geboren) porträtierte ihre Freundin Cookie Mueller (1949-1989), Richard Billingham (1970) seine chaotische Familie (Vater und Mutter), Alba Zari arbeitete ihre Vergangenheit als Kind der Sekte Children of God auf (ihren Vater kannte sie nie), Pixy Liao (1979) aus Schanghai fotografierte ihren Freund und sich (rechts zu sehen), ein anderer Künstler lichtete zehn Jahre andauernd seine Mutter ab, ein weiterer schoss 1000 Fotos von seiner Freundin, na ja, das hat mich alles eher am Rande interessiert.
Ich hätte viel lieber Aufnahmen aus dem All, der Tiefsee oder der Mikrowelt mit irren Farben und Formen, doch heute hängen alle so in sich drin, dass die Museen auch mitspielen. Sie wollen uns klarmachen, dass jenseits unserer direkten Umwelt nichts ist, und wäre da was, hätte es keine Bedeutung.