Weiße Automobile

In Yverdon und in Solothurn war ich am Campingplatz, und wenn du von den Waschräumen kommst, pilgerst du an vielen blütenweißen Automobilen vorbei, die manchmal auch noch einen weißen Wohnwagen neben sich stehen haben. Zuviel Weiß! Sie sehen auch aus, diese Fahrzeuge, als seien sie gerade durch die Waschstraße gefahren.

DSCN1149Mein Vater arbeitete, als ich klein war, für einen reichen Mann in München mit großem Fuhrpark. Ein weißer Ferrari damals, 1960, das hat Stil und muss sein. So wie mein Vati hätte ich mich auch gern neben den Ferrari gestellt. Aber heute ist alles demokratisiert und banalisiert. Alle fahren Weiß. Nur nicht Ferrari (der eigentlich rot sein sollte!).

Ich persönlich würde mich schämen, in einem weißen Auto zu sitzen. Weiß war immer die Farbe von Reinheit und Unschuld; der Edle kleidete sich in Weiß. Priester tragen Schwarz, weil sie die Sünden der Gläubigen auf sich zu nehmen gewillt sind (Schwarz wird heiß an der Sonne), während Ärztinnen und Ärzte gern weiße Kleider tragen, denn sie sollen mit ihrer Person nur die Heilung symbolisieren, sie strahlen ab und spiegeln etwas zurück. Der Beau trug Weiß und auch die Braut, weil sie vermutlich (früher) Jungfrau war vor der Ehe. — In dem Beitrag Hybris war das alles vor 3 Jahren schon zur Sprache gekommen, und witzig: Wieder verwendete ich ein Foto meines Vaters, damals mit dem schwarzen Cadillac!

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Swedenborg weist darauf hin, dass die Engel im Himmel Kleider je nach ihrem inneren Zustand tragen. Die Erleuchtetsten unter ihnen haben leuchtende, flammende Gewänder, dann kommen die mit glänzend weißen, dann die mit mattweißen Kleidern. In der Offenbarung am Ende des Neuen Testaments heißt es:

Die ihre Gewänder nicht befleckt haben, sollen mit Mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind es wert; wer überwindet, soll bekleidet werden mit weißen Kleidern. 

Wer weiße Kleider tragen will, mag das tun; jeder wird dadurch verwandelt und spürt die Würde des Weiß. Beim Auto ist das nicht so klar. Die Industrie bietet weiße Autos an, der Nachbar holt sich eins, hol ich mir auch eins, und ein Trend hebt ab.

SDC11003Vor 150 Jahren hätte man ungern einen Schimmel geritten, denn das war das Tier für Prinzen, Könige und Bischöfe. Napoleon ritt auf einem weißen Pferd über das Feld, das am nächsten Tag Schauplatz einer Schlacht sein würde. Später war das weiße Pferd etwas für den Zirkus, und in der Mythologie hat es mit dem Tod zu tun (siehe die Filme Unter dem Vulkan und Asche und Diamant von Andrzej Wajda). Links sehen wir ein weißes Pferd, das ich in der Nähe von Adliswil aufspürte.

Heute: Sündige, gedankenlose Menschen setzen sich in ein weißes Auto, und andere kleine Menschen lenken einen riesenhaften Geländewagen, ohne sich etwas dabei zu denken. In der Antike hätte man das Hybris genannt: Überhebung oder Überheblichkeit. Der Mensch macht sich größer und besser, als er ist. Sicher ist das weiße Auto gerade in Mode, es ist der Kontrapunkt zum (häufigeren) schwarzen Auto, das unheilvoll und bedrohlich daherkommt. Mein Automobil ist mein Alter Ego, und irgendwie scheint es den Leuten zu gefallen, fleckenlos daherzugleiten, doch ich erlaube mir, das geschmacklos zu finden.

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