Ein Traum vom Absturz

Vor zwei Wochen träumte mir etwas Schlimmes, das ich lange nicht vergessen konnte. Wenn man jedoch die Elemente kennt, die den Traum beeinflusst haben, sieht man eine gewisse Logik in ihm — aber schwierig ist Trauminterpretation immer. Jedenfalls bin ich mit meinem Auto abgestürzt, unten war ein Fluss, und bevor ich mit Fahrzeug aufschlug, war ich natürlich erwacht.  

panoramio-73292558Der Traum ist schnell erzählt: Ich saß im Auto, glaube ich, und befuhr eine Brücke mit einem riesigen Pfeiler mit Schnüren. Tief unten verlief anscheinend ein Fluss (das wusste ich). Am anderen Ufer sah ich einen Schlagbaum, und ich wusste auch, da würde ich zahlen müssen. Giovanna war in einem anderen Auto hinter mir, und sie wartete. Plötzlich sah ich, wie die Straße zu mir herkam; sie wurde praktisch eingezogen, unter mir durchgezogen, und ich war im Freien — und stürzte ab. Mein Gefühl war so real, als würde es im Leben passieren; ich dachte, fassungslos und gefasst zugleich: »Mist nochmal, jetzt ist es also vorbei. Nichts mehr zu machen. Gleich schlage ich auf.«

DSC_4436ffDiese Gewissheit, gleich sterben zu müssen, ist schon etwas Schreckliches. Am Tag danach war ich ganz durcheinander. Man hatte den Tod vor Augen. So mögen sich die Menschen in ihrem Autos am 14. August 2018 gefühlt haben, als vor Genua die Autobahnbrücke einknickte und es abwärts ging. 43 Menschen verloren ihr Leben. Und wir denken an das Buch Die Brücke von San Luis Rey von Thornton Wilder und dessen Anfangssatz:

Freitag, den 20. Juli 1714, um die Mittagsstunde, riss die schönste Brücke in ganz Peru und stürzte fünf Reisende hinunter in den Abgrund.

Erst hielt ich den Traum für eine Vorahnung, doch dann dachte ich darüber nach, was ich am Tag zuvor getan hatte. Ich war nach Monaten wieder mit dem Rennrad hochgefahren auf 1050 Meter (Wiedener Eck), hinunter nach Schönau, wieder hoch nach Neuenweg und zum Haldenhof, hinunter nach Münstertal. Nach langer Zeit hatte ich wieder lange Abfahrten mit dem Wind in den Kleidern und der Landschaft unter mir.

Und am Abend schrieb ich den Beitrag Reines Licht, in dem Buddha sagt, wer das andere Ufer (des Flusses der Zeit) erreiche, trete in Nirwana ein. Und ich ergänzte das mit einem Hinweis auf den Fährmann Charon, der die Seelen über den Styx ruderte. Da war also das Motiv des Abgrunds (der Schwarzwaldberge) und des Flusses, und beide wurden in einem Traum verarbeitet. Joseph von Eichendorff ließ sein Gedicht Morgengebet übrigens so enden:

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
will ich, der Pilger, froh bereit
betreten nur wie eine Brücke
zu dir Herr, übern Strom der Zeit.

Das gegenüberliegende Ufer (Nirwana) sollte ich also nicht erreichen. (Schön die Erkenntnis vom Beginn: Am andern Schlagbaum würde ich »zahlen« müssen, das heißt: Rechenschaft ablegen über mein Leben) Zum Glück nicht. Der befürchtete Tod war Illusion. Das Unbewussste hätte mich aber auch mit einer roten Ampel auf der Straße am Erreichen hindern können oder mit einem Schutzmann, der mich anhält und sagt: »da kommen Sie nicht hinüber.« Manchmal geschieht in Träumen etwas, das ich nicht möchte. Warum? Was soll mir da gesagt werden? Abstürzen bedeutet immer die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Irgendetwas stimmt nicht, zumal bei meinen Tarot-Karten die Karte Der Turm kam, in den der Blitz einschlägt, die schlimmste überhaupt. Was ist es? Was bricht zusammen?

Vielleicht manipogo, das nicht mehr richtig vorankommt, obgleich Reines Licht 7000 Klicks hatte, die drittbeste Zahl in den über zehn Jahren. Ich mache natürlich weiter, unermüdlich. Vergiss die Anhaftungen, lehrt der Buddhismus, genieße das Losgelöstsein. Ich muss das beherzigen und manipogo so nebenbei betreiben, als Spielwiese, und darf mein Herz nicht daran hängen.

 

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