Rusbehan und die Liebe

Liebe entflammt und richtet sich auf jemanden. Dante war von Liebe zu Beatrice bewegt, Ibn Arabi schrieb über Nizam, Rusbehan ist andauernd verliebt, und den beiden Letztgenannten fiel es schwer, nachzuweisen, dass sie (auch und vor allem) die Liebe zu Gott meinten, die sich durch die irdische Liebe ausdrücke, da Gott sich ja in der Schönheit zeige … Widerlegen ließ sich das nicht, und warum nicht beides zulasssen?  

DSCN5382In Eros und Agape haben wir die Problematik aufgezeigt. Oft drängten Religionen zu körperloser Liebe, weil eine Liebe, die den Partrner verehrt (und ihn zum Idol macht), von Gott weglenkt. Im Christentum nennt Jesus als erstes Gebot auch: Du sollst deinen Herrn lieben wie dich selbst. Dann erst (aber gleich wichtig): deinen Nächsten.

Gnostische Kabbalisten etwa wollen wie die Anhänger des Tantra in Indien geschlechtliches Beisammensein ohne Orgasmus. Die Begierde solle umgewandelt werden in Energie und diese durch die Wirbelsäule hochsteigen ins Gehirn. Die Partner sollen zusammen beten und zusammen Gott näherkommen wollen. Wer liebe und keusch bleibe, sei gesegnet, schreibt Rusbehan und zitiert da womöglich den Koran.

Rusbehan über die Liebe:

Der weiße Falke Liebe

Diese junge Schöne denkt, dass er, Rusbehan, der Schleier ist. Sie weiß nicht, dass sie selbst unser Schleier ist.

Hinter dem Schleier (und der Schönheit) verbirgt sich Gott, und darum betrachteten jüdische Männer auf dem Markt gern schöne Frauen — um sich damit in mystische Höhen zu erheben. Sexualität hat damit nichts zu tun.

DSCN2031Der Sufi hat nur mehr einen Wunsch: während die Kerze brennt, das schöne Antlitz der Geliebten lächelnd zu betrachten, während er ein schönes Gedicht vernimmt, das ihm vorgetragen wird. 

 

Gott kann die die Herrlichkeiten … entschleiern — und die Entschleierung stimuliert die Liebe; jede einzelne ist eine Botschafterin von Liebe und Verlangen. Nach der Annäherung vollzieht sich für die Getreuen der Liebe Entschleierung nach Entschleierung. Für die Intelligenz bedeutet das die Entschleierung von Zeichen.

Das klingt wiederum wie die verschlüsselte Schilderung eines Striptease, aber der Autor ist ein Mystiker, und die letzte Wahrheit findet sich (vielleicht) hinter sieben Mal siebzig Schleiern. — Und hinter diesen Schleiern gibt es  einen Partner, der zu uns gehört.

Alle Paare, die sich wiedererkannt haben, geben der Erde ein »himmlisches Paar« zurück. … Wenn sich die ewige Verlobte zeigt, wird die Hölle zum Paradies.

Man sagt dann:

Ich habe meinen Gott in der schönsten aller Formen gesehen.

Es kann jedoch geschehen, dass jemand ihren Begleiter einer früheren Existenz erkennt, dieser sie jedoch nicht. Dennnoch wird die Erkennende ihr Schweigen wahren. Wer vom Feuer der Liebe versengt stirbt, stirbt als Märtyrer. 

DSCN4299In der Religion der Getreuen der Liebe wird nie ein Endpunkt der Vereinigung erreicht, und eine Trennung gibt es nie mehr, denn das Gesetz des Zeitlichen gilt nicht im ewigen Reich.  

Dem Verliebten sind die Geschehnisse seiner Zeit ebenso gleichgültig wie das Wetter oder Einflüsse des Lebensraums. 

Die Liebe ist der Ort der mystischen Auslöschung.

Der Mystiker erreicht den »Ort der Identität« (ittihad).

Er wird dort identisch mit Gott. —Wir haben unsere Identität, und der Personalausweis ist die »carte d’identité«. Gemeint ist (laut Fremdwörter-Duden) die »als ›Selbst‹ erlebte innere Einheit« (die oft Fiktion bleibt). Doch sagen wir auch: Das ist identisch, und das heißt völlig gleich, wesensgleich. Dies wurde auch Jesus Christus zugeschrieben, als man ihn zu Gott ernannte: Er sei »wesensgleich« mit dem Vater. Der Kommentator des Rusbehan-Buchs weist denn auch auf den Ausruf manches Mystikers »Glorie über mich! Ich bin Gott!« hin, doch da wird es schon wieder ketzerisch, und die Mullahs der großen Religionen erheben schon ihren Stab …

 

 

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