Geist und Seele (2)

Gehen wir noch einmal zum Komplex »Geist und Seele« und schauen wir uns einmal an, wie die beiden Begriffe in  deutschen Redewendungen auftauchen. Das hilft bei der Klärung. 

DSCN4763Etwas »weckt unsere Lebensgeister«: eine Reise, eine Begegnung oder auch ein Schnaps. Starke alkoholische Getränke sind Weingeist: destilliert wird das Gebräu und komprimiert, und konzentriert ist der Alkohol: zum Geist, einer starken Kraft.

Man soll den »Geist« eines Gesetzes respektieren. Wer Umwege geht, um das Gesetz zu seinen Gunsten auszulegen, wer also  Gesetzeslücken nutzt, um es auszuhebeln, verstößt gegen den Geist der Regelung. Der Geist eines Gesetzes ist seine innerste Bedeutung. Sie ist eigentlich heilig.

Der geistliche Beistand, der geistvolle Beitrag, die geistreiche Bemerkung — immer geht es dabei um etwas Höherstehendes, um das gute Denken und den »esprit«, wie das im Französischen heißt. Auch in der Inspiration steckt der Geist, der spirit. Und spirituelle Menschen sind einer tieferen Bedeutung des Lebens auf der Spur.

DSCN3213Die Seele ist immer gemütvoll und warm, nicht spitzig/spritzig und hochfliegend wie der Geist. Wenn man sagt, jemand sei »die Seele des Betriebs«, dann meint man damit, sie (oder er) verkörpere in ihrem Handeln die Werte des Unternehmens, halte Tugenden aufrecht und spende den Mitarbeitern Wärme und Zuwendung. Da gab es einmal eine Schauspielerin, Maria Schell (die Mutter von Romy Schneider), die nannte man »das Seelchen«, weil sie sich so herzlich und unschuldig gab, dass man sie einfach gernhaben musste. Man sagt auch, jemand sei eine »gute Seele«.

Süßes für die Seele steht über Rezepten einer Frauenzeitschrift, und im Urlaub soll man die Seele baumeln lassen, was aus einem Tucholsky-Roman stammt (Schloss Gripsholm). Für eine erhoffte Rettung aus Seenot wird immer noch S-O-S gemorst, »Save Our Souls«. Rettet unsere Seelen! Man verwarf somit Rettet uns oder Rettet unsere Körper oder Rettet unseren Geist. Vielleicht spielte da noch der christliche Gedanke eine Rolle, und später wurde die Telefonseelsorge erfunden und man sprach vom »Seelenklempner«. Die Seele, das ist unsere Biografie und das Leidende in uns.

Viele Leben und viele Seelenwege. Irgendwann müssen wir uns darüber erheben wie eine Schauspielerin, die 60 Filme gedreht hat, in denen sie 60 Rollen verkörperte und weiß: In jedem Film ist was von mir drin, aber ich in keiner der 60 Rollen, ich bin die Essenz aus ihnen … und damit kommen wir dem Geist schon nahe.

Bei den Griechen war psyche die Seele, pneuma der Geist, soma der Körper und nous der Verstand. Dann verwickelte sich alles, weil man den menschlichen Intellekt auch Geist nannte. Turnvater Jahr sagte, in einem gesunden Körper lebe ein gesunder Geist — mens sana in corpore sano. Das lateinische mentis führte zum englischen mind, ist aber nicht der Geist, den wir meinten, der göttliche spirit; er ist das Denken, das Bewusstsein. De-menz ist das Sich-Verabschieden des bewussten Denkens.

 

 

 

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