Irischer Herzschlag
Bei George William Russell (1867-1935), der sich den Künstlernamen AE beilegte (für Aeon), geht es viel um den Geist und Kräfte der Anderwelt, wie die Iren und Kelten das Jenseits nannten. Sein Buch The Candle of Vision ist das Buch eines irischen Mystikers, wie es viele Künstler der Insel waren. Die grössten: William Butler Yeats, James Joyce, Dylan Thomas und Samuel Beckett.
Schauen wir uns ein paar Passagen aus der »Visionskerze« an, die als Sammlung von Essays 1918 erschien. (Die nachfolgenden Bilder sind von ihm, von AE.) Das Wunder der Kreativität gab Russell zu denken:
Ich bin überzeugt, dass jede Poesie, wie Emerson sagte, zunächst im Himmel geschrieben wird, was heißt, dass sie von einem Selbst konzipiert wurde, das tiefer reicht als das des alltäglichen Lebens, und wenn es zu uns spricht oder uns eine uralte Geschichte erzählt, so bekommen wir einen Geschmack der Ewigkeit und trinken den Soma-Saft, das Elixier der Unsterblichkeit. (…)
Eine alte Schrift erläutert das so: ›Der Erleuchtete inspiriert den Dichter, den Juwelier, den Bildhauer und alle, die sich in den Künsten umtun.‹ Es ist das Feuer des Prometheus, und dieses Feuer muss der Mensch meistern, wenn er zum Paradies seiner Ahnen emporsteigen können will. Ich kann alle, die dies lesen, nicht genug warnen vor der Gefahr, es auflodern zu lassen, und ebensogut kann ich nicht oft genug wiederholen, dass wir ohne diese Kraft nichts sind. Wir werden nie den Himmel erklimmen, und die Religionen, mögen sie noch so heilig sein, werden uns nie ihre Tore öffnen, wenn wir nicht die Tore für uns selbst und selbstbewusst aufmachen und als starke Geister eintreten, denen man den Zugang nicht verwehren kann.
AE erlebte viel Übernatürliches, was allerdings in The Candle of Vision untergeht, weil er die Mechanismen und die Bedingungen wortreich umkreist. Dann wird er wieder mystisch und erhaben:
Die Götter leben noch. Sie sind unsere Brüder. Sie winken uns zu sich herauf und gleichberechtigt auf Thronen zu sitzen. Denjenigen, die gegen Romanzen wüten, möchte ich sagen: Ihr selbst seid die Romanze. Ihr seid der verlorene Prinz, der zum Schweinehirten wird. Die Romanze eures Geistes ist die herrlichste aller Geschichten. Eure Wanderungen sind größer gewesen als die des Odysseus.
Ihr seid Vögel des Paradieses gewesen, und ihr seid ausgestoßen gewesen, verkrochen unter Felsen, am Himmel verzweifelnd. Wenn ihr nur euren Inneren Blick öffnen wolltet, so wird das Land der Unsterblichen Jugend euch erstehen, und nicht mehr als Phantasie, sondern direkt vor euch, lebenskräftig. Die Erde wird euch magisch und süß vorkommen wie nie zuvor. Ihr werdet trunken sein vor Schönheit. Ihr mögt die feurigen Augen der Zyklopen über die Berge sich bewegen sehen und die Glocke läuten hören, die die Geister heimwärts ruft. Nach langem Nachdenken glaube ich an die Ewigkeit des Geistes und dass er ein Bewohner vieler Sphären ist, denn ich wüsste nicht, wie ich anders mir die Myriaden Bilder erklären könnte, die sich als Erinnerungen oder Vorstellungen an den Geist heften und ihm in den Körper folgen wie Vögel ihrer Führerin innerhalb des Schwarms.